Was ist ChatGPT?

KI künstliche Intelligenz mit all seinen vielen Anwendungsmöglichkeiten nimmt eine immer größere Rolle in der Arbeitswelt wie auch im privaten Leben ein – bietet viele Annehmlichkeiten und Vorteile, aber auch Gefahren.
Insbesondere der revolutionäre neue Chatbot ChatGPT bekam in den vergangenen Monaten – seit die neue Version GPT-4 Mitte März 2023 veröffentlicht wurde – in der Öffentlichkeit viel Aufmerksamkeit. Denn die aktuelle Version kann deutlich längere Texte verarbeiten und kreieren als ihre Vorgänger.
Dennoch, um die Dimensionen zu verdeutlichen, hatte das US-amerikanischen Unternehmen >OpenAI< 2022 bereits 5 Tage nach der Veröffentlichung der GPT-1-Version 1 Million Nutzer; im Januar 2023 waren es bereits 100 Millionen.
Zum Vergleich: Das bereits im Jahr 2012 erschienene, zu Facebook gehörende soziale Netzwerk Instergram, das vor allem zum Ansehen und Verbreiten von (bewegten) Bildern verwendet wird, brauchte 2 1/2 Jahre; die App TikTok aus dem Jahr 2018, zum Ansehen und Verbreiten von Video-Clips, brauchte 9 Monate, bis es 100 Millionen Nutzer hatte.

ChatGPT ist ein Chatbot, also ein Roboter mit dem man sich unterhalten (engl. chatten) kann.
GPT ist die Abkürzung für „Generative Pre-trained Transformer“.
Das Besondere ist hier, dass es sich nicht um ein Computer-Programm handelt, sondern um ein neuronales Netzwerk, das selbst lernfähig ist; d.h. ChatGPT wurde nicht von Menschen programmiert. Die Maschine lernt anhand von Beispielen (machine learning), um menschliche Sprache zu verstehen und so eine der menschlichen Sprache ähnelnde Antwort zu erzeugen. Dazu werden im System über 200 Milliarden Parameter und Algorithmen aus verschiedenen Netzwerken mit sehr großen Datenmengen verwendet.
ChatGPT-4 basiert auf seinem Vorgänger, dem GPT-3-Sprachmodells von OpenAI, das Milliarden von Sätzen aus sehr vielen Texten aus dem World Wide Web als Input erhielt. Letztlich wurde nichts weiter gelernt, als Zusammenhänge zwischen Wörtern zu erkennen und Wörter so hintereinander zu setzten, dass sie sich wie menschlich produzierte Sätze lesen.
Die neue Version wurde zusätzlich durch menschlichen KI-Trainer, die sich mit dem Roboter unterhielten, trainiert.
Auf diese Weise wurde der maschinelle Output in Sprachstil und Textlänge weiter verbessert, so dass die Ergebnisse nun noch menschlicher erscheinen. Stilistisch kann nun an Inhalten gefeilt werden (z.B. „schreib es etwas lustiger“ oder „vermeide Fremdwörter“). Dabei kann die neuste Version auch Bilder erkennen oder Audio als Inputquelle verwerten. Auch Bugs, also Fehler, in Computerprogrammen kann das System mittlerweile finden, indem mit ChatGPT die Codes nahezu aller Programmiersprachen analysiert werden können. Auch beim Schreiben von Computercodes könnte ChatGPT helfen.

ChatGPT kann zwar z.B. innerhalb von kürzester Zeit ein Referat zu einem Thema erstellen, eine wissenschaftliche Arbeit verfassen, komplizierte Matheaufgaben lösen, Witze erzählen oder Gedichte schreiben. Es kann aber nicht „wahr“ von „unwahr“ (fake) unterscheiden. Es sollte also nicht als Ratgeber verwendet werden.
Die generierten Texte sind zwar in sich logisch, aber nicht unbedingt richtig oder gar inhaltlich verlässlich.
Auch produziert ChatGPT, gibt man die gleiche Anweisung mehrmals, keineswegs jedes Mal den gleichen Text, sondern jedes Mal einen neuen Text. Der Wahrheitsgehalt der von ChatGPT geschriebenen Texte ist Glückssache!
Denn ChatGPT kann nicht im Internet surfen und die Frage nach dem aktuellem Wetter in Paris oder nach aktuellen Wissensstand beantworten. So ist sehr bedeutsam, dass ChatGPT mit menschlichen Texten aus dem Internet trainiert wurde und auf dieser Grundlage zu den meisten Themen Antworten gibt. Sprache jedoch enthält nun einmal alles Mögliche, einschließlich die damit verbundenen offen oder verdeckten Meinungsbilder, Vorurteile, hoffnungslos veraltete Wissensstände und Fakten.

Beim Thema Chatbot und Verantwortung geht es dann ganz praktisch darum, dass die Technik nicht zur Verbreitung von rassistischen, sexistischen oder anderen Vorurteilen, Fake-News, Hass-Sprache, Spam-Mails oder anderen toxischen Inhalten auf unterschiedlichsten Plattformen und Formaten eingesetzt wird. Das kann aber leichter geschehen als man denken mag, lernen doch die mit Sprache trainierten Netzwerke, was man ihnen letztlich der Mensch als Input vorgibt.
Ein Beispiel aus dem US-amerikanischen Gesundheitswesen zeigte solche Verzerrungen (um nicht zu sagen Vorurteile). Wie eine viel beachtete, im Fachblatt Science 2019 publizierte Arbeit nachweisen konnte, wirkte sich die über Jahre hinweg verwendet KI, um Entscheidungen zu treffen, ob ein Patient stationär aufgenommen wird oder nicht, zum Nachteil der Versorgung schwarzer Patienten aus. Denn die KI war mit Daten zu den Gesundheitskosten als Indikator für den Gesundheitsbedarf trainiert worden. People of color geben jedoch, trotz ihres tatsächlichen Bedarfs in der Regel weniger Geld aus als weiße Patienten. So lernte das System, den Grad der Aufmerksamkeit, die ein Patient braucht, bei schwarzen Patienen systematisch zu unterschätzen. Am Ende, bei gleichem Risiko, hatten farbige Menschen eine 50 % geringere Wahrscheinlichkeit ins Krankenhaus eingewiesen zu werden. Sie wurden systematisch als gesünder eingeschätzt als gleich kranken weiße Patienten. Das hat natürlich Konsequenzen; es geht um Leben oder Tod.

Es gehört zur Natur neuronaler Netzwerke, dass sie nicht wissen, warum sie etwas wissen.
Wenn im System über 200 Milliarden Parameter verwendet, heißt das im Klartext, dass es ein Netzwerk mit 200 Milliarden Synapsen (Verbindungsstellen) ist, deren 200 Milliarden einzelne Stärken eben zu genau dem Input-Output-Mapping führen, das es leistet. Man stelle sich einen Vektor mit 200 Milliarden Zeilen vor, also all diese Zahlen untereinander geschrieben mit einer Klammer darum herum. Verstehen kann man hier nicht – egal. was man mit Verstehen auch immer meinen könnte. Aber nicht nur, dass Wahrheit und Falschheit da unterschiedslos nebeneinander gestellt sind, so wie wir es von Internetrecherchen kennen, ChatGPT gibt sogar wissenschaftlich Quellen an, die frei erfunden sind.
Einerseits ist diese halluzinieren des Netzwerkes eine Bedrohung wissenschaftlicher Standards, denen wir vertrauen entgegenbringen, da davon auszugehen ist, dass die Wissenschaftler sich um Zuverlässigkeit und Wahrheit bemühen;
andererseits hat diese frei Kombination von Inhalten auch schon neue Eiweißkörper gefunden, die tatsächlich funktionieren und so der Proteinforschung völlig neue Erkenntniswege erschlossen.
Experten können aus Halluzinationen, also Inhalten denen (noch) keine Realität entspricht, innovativ nutzen, einfache Nutzer können das in der Regel nicht.
Wenn es in einem Text also wirklich um etwas geht, z.B. um die Einhaltung von Regeln der Statistik, um Physik, Material und Recht in einem Bauantrag, die Diagnose und Therapie in einem Arztbrief, Lehrbücher für Geschichte oder Chemie, einen Zeitungsartikel über das neueste Tagesgeschehen oder irgendeinen wissenschaftlichen Fachartikel, dann geht es um Vertrauen. Denn kein Mensch kann alles nachprüfen, bevor er handelt.
Wenn wir also z.B. ein Medikament einnehmen oder ein Flugzeug besteigen, dann glauben wir daran, dass sämtliche Bestimmungen der nationalen und internationalen Behörden erstens der Wahrheit entsprechen und zweitens auch erfüllt bzw. eingehalten werden. Man kann zwar alles anzweifeln, aber nicht alles auf einmal.

Jeder kann sich jedweden Text, dessen Inhalt er einigermaßen charakterisieren kann, mit Hilfe von ChatGPT schreiben lassen – ohne dass es auffällt. z.B. “Schreibe eine Bewerbung mit folgenden Daten; einen Leserbrief mit folgendem Inhalt, einen Zeitungsartikel über … mit 200 Wörtern, eine Arbeit zu … mit 5000 Wörtern zur Zusammenfassung von …)
Allerdings: welche langfristigen Folgen wird es haben, wenn man nichts mehr selber schreiben braucht?, wenn weitere Hirnfunktionen extern erledigt werden! Es ist, wie bei vielen Fortschritten der Technik, schwer abzusehen!
Einige Wissenschaftler warnen bereits davor, dass Menschen durch die Übertragung des Denkens auf automatisierte Chatbots die Fähigkeit zum eigenständigen artikulieren von Gedanken verlieren könnten. Für diejenigen, die diese Fähigkeiten erlernen und ausbilden wollen, sind Chatbots ganz offensichtlich ungeeignet.
Denn Denken wie Schreiben erlernt man nur dadurch, dass man denkt und schreibt, und keineswegs dadurch, dass man über Geschriebenes diskutiert. Fußball oder Saxophon zu spielen lernt man ja auch nicht, indem man darüber redet, Fern sieht oder Musik hört.
Zudem hat diese KI-Technik Konsequenzen auf Hausarbeiten und Prüfungen, die in Schulen, Universitäten und Büros ganz neu konzipiert werden müssen.
Aber auch ein weiterer Aspekt ist von Bedeutung: Kein ökologischer Fußabdruck wächst derzeit schneller als der des Digitalen.

Quelle: ChatGPT – Nur ein weiterer Trend oder eine Revolution? Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer, Uni Ulm; in Nervenheilkunde 2023; 42; 192-199
mehr noch auch über den Galileo-TV-Link

Zum Weltfrauentag am 8. März: Geschichte der Frauen – erlesen und erlebt

Dieses Buch kann man in der Bücherei Biebertal ausleihen unter dem Zeichen Zba 74 Has. Der Titel kommt nicht von ungefähr, er zitiert die Geschichte von Dädalus und Ikarus. Dädalus konstruierte für sich und seinen Sohn Ikarus Flügel aus Federn, gebunden und mit Wachs befestigt. Dädalus warnte seinen Sohn, nicht zu hoch zur Sonne zu fliegen. Doch der Sohn war ungehorsam, das Wachs schmolz und er stürzte ab.

Ähnlich erging es Emily Kempin-Spyri, der ersten Juristin Europas, nebenbei eine Nichte von Johanna Spyri, deren Roman Heidi seit 1880 bis heute noch immer neu aufgelegt und regelmäßig verfilmt wird. Emilys Vater behandelte seine Tochter während deren Kindheit wie den ersehnten Sohn, nannte sie auch Emil. Als sie in die Pubertät kam, wurde sie von ihm in die typische weibliche Rolle gedrängt. Der Ehemann missfiel dem Vater, also verweigerte er die Mitgift. Geldsorgen waren ständige Begleiter der Ehe, wie kam man zu Geld? Der Ehemann erlebte einen Misserfolg nach dem anderen.

Nach dem 3. Kind entschloss sie sich, mit Unterstützung ihres Ehemanns, Jura zu studieren. Obwohl sie einen Abschluss “Summa cum laude” und sogar den Doktortitel an der Universität Zürich schaffte, wurde ihr eine angemessene Stellung verwehrt. Die Familie wanderte daher in die USA aus, wo Dr. Kempin-Spyri dank einer Stiftung Frauen aus sozial schwachen Familien kostenlose Rechtsberatung gab. Ehemann und die beiden ältesten Kinder konnten in den USA nicht Fuß fassen und fuhren alleine zurück. Emily Kempin-Spyri folgte einige Zeit später mit der jüngsten Tochter – und gab damit auf, was sie sich erträumt hatte sowie ein regelmäßiges gutes Gehalt. Unterstützung erhielt sie von Frauen und fortschrittlichen Männern der Schweiz und Deutschlands.

1865: Der erste deutsche Frauenbildungsverein

Aber die Mehrfachbelastung von Familie, allen Versuchen, die Familie zu ernähren und den Anfeinungen, denen sie ausgesetzt war, führten zu einem Zusammenbruch. Einige Zeit war sie in einer Nervenheilanstalt in Berlin, später dann in Basel. Ihre Bitte nach Zürich verlegt zu werden, wo die Psychiatrie fortschrittlicher war und sie den Klinikleiter kannte, wurden von Ärzten und Institutionen torpediert. Emily Kempin-Spyri starb 1891 im Alter von 48 Jahren in der Nervenheilanstalt – immer noch kämpferisch – an Krebs. Das war der “Absturz” einer Frau, die es wagte, ihrer Zeit voraus zu sein, die Verbote des Vaters nicht zu befolgen.

Der Sturz des Ikarus, Gemälde von Franz Radziwill – Verwendung des Fotos mit freundlicher Genehmigung der Franz-Radziwill-Gesellschaft Dangast

Erlebte Geschichte:
Viele Frauen meiner Kindheit waren Kriegerwitwen, lebten aber mit einem Mann in “Wilder Ehe”, ein Begriff, der bis in die 1980er Jahre noch negativ behaftet war. Die Frau verlor durch dieses Zusammenleben ohne Trauschein nicht ihre Witwenrente. Vielleicht wollte sie aber auch ihre in der Kriegs- und Nachkriegszeit gewonnene Selbständigkeit nicht aufgeben, denn bis 1957 hatte der Ehemann die alleinige Entscheidungsgewalt darüber, ob die Frau
– ein eigenes Konto haben durfte,
– arbeiten gehen durfte,
– einen eigenen Wohnungsschlüssel besitzen durfte.
Die Gesetze nach dieser Zeit enthielten eine Menge Kompromisse. Der Frau war die Berufstätigkeit erlaubt, “sofern sie ihre Familie nicht vernachlässigt”. Wer beurteilte das?
In den 1960-1970 Jahren kamen Frauen in den Wechseljahren in unserem Dorf im Kreis Hanau oft in “Irrenanstalten”. Als Frauen waren sie ja nun “nichts mehr wert”, was viele von ihnen verinnerlicht hatten und darüber in Depressionen verfielen.
Bei der Änderung des Scheidungsrechtes unter einer SPD-geführten Regierung “Zerrüttungsprinzip statt Schuldfrage” beschwor die CDU/CSU den Weltuntergang herauf.*)
Als ich nach dem Abitur im Schwab-Versand am Fließband Pakete packte, bekamen wir Frauen 30 Pfennige weniger Lohn als die Männer. Begründet wurde es mit “der schwereren Arbeit” der Männer, was wir nicht sehen konnten. Solidarität herrschte darin, dass wir Aushilfen nicht schneller waren als die festangestellten Frauen, weil man sonst die Stückzahl, die für den gleichen Lohn zu leisten war, erhöht hätte.
Während meiner Berufstätigkeit in der beruflichen Bildung gab es immer noch alte Meister in Prüfungskommissionen, die Frauen nicht prüfen wollten, wenn sie den Beruf eigentlich als Männerberuf ansahen.
Wenn ich mit meinem ersten Freund zu seinen oder meinen Eltern fuhr, mussten wir in getrennten Zimmern schlafen. Sonst hätte ein böswilliger Nachbar unsere Eltern auf Grund des “Kuppelei-Paragraphen” (1973 abgeschafft) anzeigen können.
Noch bis Ende der 1980er Jahre hieß es im Lohnsteuerformular: Spalte 1 Haushaltungsvorstand Spalte 2 Ehefrau. Da ich damals Alleinverdienerin war, habe ich regelmäßig das Formular geändert.

Auch solche Demonstrationen gab es – auf dem Kirchentag

Auf den Paragraphen 218 will ich hier nicht eingehen. Er war aber für die Frauenbewegung sehr wichtig, der ich nicht angehörte. Aber ohne diese in den 70er Jahren so verspottete und angegriffene Bewegung, durch die viele Missstände aufgezeigt und über ihre Änderung diskutiert wurde, hätte es viele gesetzliche und tatsächliche Verbesserungen nicht gegeben (analog heutige Umweltbewegung). Das ist zwei Generationen her. Insgesamt gab es seitdem eine Vielzahl von positiven Veränderungen. Ich wünsche mir, dass sich junge Frauen dessen bewusst werden, dass ihre heutigen Rechte nicht selbstverständlich sind, sondern immer wieder neu verteidigt werden müssen.

Am Ende sind wir nie. Wenn auch die “Hausfrauenehe” seit 65 Jahren abgeschafft ist; die vielen misshandelten Frauen und Kinder zeigen, dass in den meist männlichen Köpfen immer noch die Verstellung herrscht, dass der Mann die Frau beherrschen darf. Aktuell fehlen mindestens 3.500 Frauenhaus-Plätze. Geld dafür bereit zu stellen wird in vielen Parlamenten als unwichtig angesehen.

*) 50 Jahre Gleichberechtigung eine Springprozession-Essay Dieser Artikel, herausgegeben von der Bundeszentrale für Politische Bildung, erschien bereits 2008, müsste also heute heißen “65 Jahre Gleichberechtigung,…”

Fotos Franz-radziwill-Gesellschaft, wikipedia und Bundeszentrale für politische Bildung

Legalisierung von Cannabis – Gesundheitsrisiken

Bislang ist der Verkauf von Cannabisprodukten zu Genusszwecken in Deutschland verboten. Die neue Ampel-Regierung will die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken einführen.
Es gehe dabei um Verbraucherschutz, Regulierung des Schwarzmarktes, Verhinderung von verunreinigten Substanzen, Entstigmatisierung von Konsumenten, Entlastung von Polizei und Justiz sowie um bessere Prävention wie auch um zusätzliche Steuereinnahmen.
Neben dem legalen Konsum von Alkohol (etwa 74.000 Todesfälle jährlich allein durch Alkoholkonsum) sind die bislang nur illegal zu erwerbenden Cannabisprodukte die verbreitetste Droge in Deutschland. Dabei hat sich der THC-Gehalt (Tetrahydrocannabinol) in den Pflanzenanteilen durch gezielte Zucht (also durch Mutationen – ähnlich wie beim Corona-Virus wild oder gezielt bei der Impfstoffherstellung) seit 2010 (6,8 %) bis zum Jahr 2020 (20,4 %) erhöht.
Entsprechend sind die ambulanten wie stationären Cannabis-Suchtbehandlungen gestiegen.
Deshalb sehen Ärzte die Legalisierung der Droge kritisch: Der 125. Deutsche Ärztetag warnte Anfang November 2021 vor einer Verharmlosung der Droge und vor den Risiken für die Gesundheit der Konsumierenden sowie den Folgen für die medizinische Versorgung. Insbesondere vor den Langzeiteffekten des Cannabiskonsums für Kinder und Jugendliche.

Aus medizinischer Sicht, also vor allem als Mittel gegen chronische Schmerzen, ist eine Abgabe von Cannabis erst ab einem Alter von 25 Jahren sinnvoll, wenn die Ausreifung des Stirnlappens im Gehirn abgeschlossen ist. (siehe Nachricht: Interessante neue Beiträge auf unserer Wissensseite)
Denn Studien zeigen, dass bei intensivem Konsum von Cannabis die Hirnentwicklung beeinträchtigt wird.

Bei akutem Konsum kommt es zu Rauschzuständen mit deutlichen Einschränkungen der Aufmerksamkeit, Störungen der Bewusstseinslage, der kognitiven Fähigkeiten, wie auch der Psychomotorik. Ursächlich dafür ist die zunehmende Konzentration des psychoaktiven Hauptwirkstoffes THC in einer immer breiteren Produktvielfalt.
Mit dieser Droge im Blut erhöht sich selbstverständlich die Gefahr von Verkehrsunfällen, insbesondere für unter 25jährige Fahrer, die die Einschränkungen durch den Konsum nicht durch Fahrpraxis ausgleichen können.

Bei längerzeitigem Konsum kommen weitere Gesundheitsrisiken hinzu, insbesondere Atemwegserkrankungen, Hodenkrebs, hirnstrukturelle Veränderungen (=> unreif bleiben) sowie Auswirkungen auf die Entwicklung ungeborenen Lebens bei Konsum in der Schwangerschaft, sowie die Ausbildung von psychischen Störungen, von Angststörungen, Psychosen, Bipolaren Störungen (manisch-depressiv), Depressionen und Suizidgedanken.
Bei frühem Konsum vor dem 15. Lebensjahr werden geringere Bildungserfolge gesehen; und bei häufigem Konsum von Drogen allgemein werden in Studien höhere Schulabbruchraten, geringeres Einkommen, gehäufte Arbeitslosigkeit sowie Bezug von Sozialleistungen beschrieben.

Cannabisabhängigkeit ist eine Suchterkrankung. Nach Entzugsbehandlungen und bei anhaltender Abstinenz, so habe sich gezeigt, können Veränderungen am Gehirn reversibel (umkehrbar) sein.

Die Legalisierung von Cannabis, so wird von Suchtberatungsstellen erwartet, wird zu einem erhöhten Konsum und Missbrauch auch durch Kinder und Jugendliche führen. Jugendschutz ist hier eine Illusion, denn das Signal der Legalisierung und damit Verharmlosung der Drogen, wird – auch bei einer Altersbeschränkung im Verkauf – zu einem Durchreichen an Jüngere führen.
Bei US-Staaten lagen nach Legalisierung der Drogen die Konsumquoten um 30 bis 60 % höher. Auch in Kanada, Portugal oder Uruguay z.B. sei der Konsum nach der Legalisierung deutlich angestiegen. Zugleich ging die Risikowahrnehmung von Cannabis in diesen Staaten seit der Legalisierung deutlich zurück. Bei den 12 – 17jährigen liegt die Zahl der diagnostizierten Angststörungen, Psychosen und Depressionen um 25 % höher als in anderen Bundesstaaten der USA.
In den Niederlanden liegt der Konsum in der Altersgruppe der 15 – 34jährigen mit 15,5 % in etwa beim europäischen Mittelwert.
In einem anderen Ländervergleich gibt es Hinweise auf eine Zunahme cannabisbedingter Krankenhausaufnahmen nach Legalisierung, cannabisbeeinflusster Selbstmorde und tödlicher Verkehrsunfälle.

Nur begrenzt sei über die Legalisierung der Schwarzmarkt zu regulieren; der wird neue kreative Absatzwege und neue Drogen finden.
Das Gesetz zur Cannabislegalisierung will die neue Bundesregierung nach 4 Jahren “auf gesellschaftliche Auswirkungen” evaluieren (sach- und fachgerecht beurteilen). Man darf darauf gespannt sein.

Cannabis-Freigabe in den Niederlanden: Vorläufige Auswertung Niederländische Drogenpolitik

Quelle: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 118, Heft 49, 10.12.2021, S.2326-2328

Wie bewahrt man das Feuer in Langzeitbeziehungen?

Gerade in Zeiten des Lockdown und social distancing, wenn die Menschen in hohem Maße auf sich selbst zurückgeworfen sind, werden bei Paaren und in Familien Spannungen sichtbar.
Der Stress, ausgelöst durch die unberechenbare Bedrohung eines unsichtbaren Virus, das Gefühl von Kontrollverlust, die Bevormundung durch staatliche Stellen, die Sorge um liebe Verwandte und die bewusste wie unbewusste Reaktivierung von Kindheitsgefühlen, wie auch der Stress des engen aufeinander Hockens in der Wohnung, das nicht ausweichen können, lässt schnelle eine angespannte oder gar aggressive Stimmung entstehen – mit der konstruktiv oder destruktiv umgegangen werden kann.

Foto: Andreas Bohnenstengel, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=59106427
Foto: Lindemann

Ja, manchmal sind Wegweiser – nicht nur in der “Mutter-Kind-Beziehung”, wie oben im Bild zur Wegführung an der Baustelle an der Sporthalle in Rodheim zu sehen –  sehr hilfreich,
insbesondere in Zeiten, die sich anfühlen wie Baustellen …
und Langzeitbeziehungen sind Dauerbaustellen …
allerdings meist ohne die beruhigenden Hinweisschilder, die einen „an der Hand nehmen“
oder – wie inzwischen auf den Autobahnen zu sehen -: „in 5 km, in 3 km, in 1 km Ende der Baustelle“.

Sollte die Überschrift Ihre Neugier geweckt haben,
stellen Sie sich auch beim Lesen dieses Textes auf eine längere Dauer ein.
Vielleicht aber lohnt es in besonderer Weise, einen Text oder eine fremde Person in vielerlei Facetten kennenzulernen und sich Zeit füreinander zu nehmen; nicht zu schnell aufzugeben, etwas miteinander durchzuarbeiten (wie die Psychoanalytiker gerne sagen).
Immerhin ist es einen Gedanken wert, zu entdecken, wieso man sich mit gerade diesem Partner gerade diese Aufgabe für sein Leben gesucht hat. Gerade im “einander erkennen” steckt viel mehr, als der erste Eindruck herzugeben vermag.

In vielerlei Formen von Beziehungen strebt man nach Dauer und Vertrautheit.
Oftmals haben Paare vor, die Strecke bis zum Ende zusammenzubleiben … und da soll das Ende nicht schon nach 5 km bzw. 5 Jahren erreicht werden.
Allerdings stellen sich weder Lust noch Frust von alleine ein …
realistisch gesehen, sagt die Scheidungsstatistik, dass die meisten Ehen nach 6 Jahren Ehedauer geschieden werden und die durchschnittliche Ehedauer bei 15 Jahren liegt. (Quelle: www.scheidung.de)

Zwar ist – positiv gesehen – Instabilität eine notwendige Bedingung für Bewegung und Entwicklung,
doch zugleich braucht es dabei eine hinreichende Stabilität, um sich auf das Abenteuer von Veränderung einzulassen. Andernfalls kann eine Konstruktion leicht in die Brüche gehen.
Es ist wie beim Treppensteigen: steht das Standbein stabil, lässt sich mit dem Spielbein eine neue Stufe erklimmen. Findet das Spielbein dort festen Halt, kann das Standbein zum Spielbein für eine weitere Entwicklung werden, usw. usw. – mit den eigenen Beinen.
Ähnlich: hat die Beziehung stabile, verlässliche Grenzen, gerät erkundende Spiel nicht so leicht in gefährliche Fahrwasser. Dennoch erscheint, wie es so schön heißt, “das Gras auf der anderen Seite grüner” – zumindest für eine anfängliche Weile.
Gelingt es, dieses Spannungsfeld in eine tragfähige Balance zu bringen, kann sich eine Beziehung dauerhaft entwickeln … auch wenn die Beteiligten nicht immer im gleichen Tempo unterwegs sind.

Nein, eine Paartherapie (als sinnvolle und intelligente Fortbildungsmaßnahme – die Paare sich häufig viel zu spät gönnen) soll nicht immer nur sicherstellen, dass die Leute zusammenbleiben.
Vielmehr geht es darum, dass Menschen verantwortungsvolle Entscheidungen treffen, dass neue Perspektiven ausgeleuchtet werden, die ein andres Verständnis in Zusammenhänge und Wechselwirkungen erlauben, die Wachstum ermöglichen und die, im Fall der Fälle, helfen, mögliche Schäden minimal zu halten.

Früher baute die Institution Ehe sehr lange auf “bis der Tod Euch scheidet”.
Heute währt die Ehe meist so lange, bis die Liebe stirbt.

Als die Leute früher “für immer” sagten, sind sie in ihren Vierzigern, Fünfzigern, Sechzigern gestorben.
Heute erleben viele die achtziger und neunziger Jahrgänge.
Zudem ist die ökonomische Abhängigkeit von Frauen meist nicht mehr gegeben, so dass sie sich nicht mehr mit allem arrangieren müssen. Sie erleben sich nicht mehr als Eigentum ihres Mannes und auch die Frage, woher die Kinder kommen, muss nicht mehr durch Einsperren der Frauen sichergestellt werden.
So werden heute die meisten Scheidungen von Frauen initiiert.

In einer Paartherapie schaut man immer danach, was dies und das bedeutet und wie es miteinander zusammenhängt, wie es in der Beziehung wechselwirkt und wohin das dann möglicherweise führt oder was es – zumindest in der Phantasie – für Auswirkungen hat.
Denn wenn die Beziehung nicht glücklich ist, bleibt die Familie heutzutage vermehrt nicht intakt.
Früher konnte das Paar unglaublich unglücklich sein, konnte es im Zusammenleben gewalttätig, missbräuchlich zugehen – das Paar hätte sich nicht getrennt … schon allein, weil die Familienorganisation das Paar brauchte und die gesellschaftlichen Hürden hoch waren.
Wir hatten ja mal Ehen, in der man viele Kinder brauchte, um das Feld zu bestellen, um die ökonomische Sicherheit für die Familie zu gewährleisten.
Dann hatten wir das Bild der romantischen Ehe, in der man Zugehörigkeit sucht, eine Verbindung. Und weil man Kinder nicht mehr zu Fortbestand und zum Arbeiten brauchte, hatte man nur wenige Kinder – und hatte Sex aus Lust und Leidenschaft.
Heute geht es in der Ehe, in Beziehungen allgemein, um Identität: “ich will, dass mir mein Partner dabei hilft, die beste Version meiner selbst zu werden.” Außerdem hat man sich heutzutage bereits “die Hörner abgestoßen” und verbindet sich etwa 10 Jahre später, als vor 50 Jahren. Man sucht – mitten in einer konsumorientierten Welt – einen Seelenverwandten, jemanden, mit dem man sich versteht, der die gleiche Sprache spricht, der das eigene Weltbild bestätigt. Denn in dieser Zeit sind Paar so isoliert, wie nie zuvor. Zudem gibt es – u.a. zwei Weltkriegen geschuldet – kaum Vorbilder, an denen man authentisches Verhalten und kooperatives Miteinander oder erfolgreiches, glückliches Zusammenleben lernen kann. Zu viele Menschen tragen unbewusst noch an Wunden (auch an denen der Vorgeneration), die sie in Verdrängung zu halten suchen und es gibt inzwischen zu viele “broken homes”, die idealistische Erwartungen sprießen lassen, die ebenfalls nur in die Wiederholung des Scheiterns führen.

Immerhin ist biologisch vorgegeben, dass man ein Verlangen nach jemand anderem entwickelt.
An der Ausgestaltung dieses Verlangens kann man moderne Beziehungen erkennen.
Über all in der Mediengesellschaft wird suggeriert, dass es bestimmt besseres gäbe, als das, was man gerade hat oder wo man gerade ist oder mit wem man gerade ist.
Überall auf der Welt ist es daher ähnlich mit der Untreue.

Allerdings geht man in anderen Teilen der Welt anders damit um, als z.B. in Europa.
Amerikaner z.B. moralisieren Untreue typischerweise. Sie erleben einen Seitensprung als moralischer Verrat an ehernen (religiösen) Werten.
In Europa zählt Untreue als der ultimative Betrug in und an der Beziehung oder Ehe. Denn sie besiegelte die Verbindung mit seinem Seelenverwandten, was – oft unbewusst – mit einem stillen Anspruch auf Alleinbesitz einhergeht und zudem das Gefühl, etwas besonderes zu sein. Durch die/den Dritten wird diese Illusion zerstört. Die Ent-Täuschung ist groß: das “Soll”, die Vorstellung, wurde vom “Ist”, von der Realität, eingeholt und auf die Füße gestellt.

Hatten früher viele Menschen in der Ehe den allerersten Sex und kannten unter dem Postulat der Monogamie auch nichts anderes, hatte man heute vor der Ehe meist schon Sex mit vielen anderen. Monogamie bedeutet heute also etwas anderes als früher: nämlich nach vielen anderen mit nur noch einem Partner zu schlafen.
Den kann man sich heute aussuchen: “Ich suche mir diese Person aus und kümmere mich nicht mehr um die anderen. Ich bin die/der Auserwählte, etwas ganz besonderes.”

Psychologisch gesehen spielen hier also – heutzutage in besonderer Weise – u.a. sehr frühe narzisstische Bedürfnisse nach Bestätigung, Besonderheit und das Erleben einer vermeintlichen Größe eine große Rolle – während man ja als Kleinkind real noch ganz klein ist und lediglich wenig von der Welt kennt. Da lassen sich phantastische Vorstellungen leicht mit der Realität verwechseln.
In einer Partnerschaft werden diese Bedürfnisse und Vorstellungen reaktiviert und “befriedigt”.
Zugleich aber überfordern diese Anforderungen auf Dauer das Gegenüber und rufen Fluchtimpulse oder Aggressionen hervor. Entsprechend tauchen Kinderängste auf, verlassen zu werden und damit lebensbedroht zu sein, die bei einem Erwachsenen irrational erscheinen.
Das erklärt jedoch, warum die Zerstörung dieser Illusion, ein so immenses katastrophisches Erleben hervorruft. In dieser Stresssituation werden ganz archaische Überlebensinstinkte aktiviert, so dass klares, vernunftbetontes Denken kaum möglich ist. Dies zumindest bei fehlendem Abstand und beruhigter Seele, die Perspektivenwechsel und Reflektion zulässt.
Zum anderen werden in einem Dreieck sofort alte Erinnerungen an das Erleben in der triangulären Beziehung mit den Eltern wach gerufen. Oft war da das Kind der ausgeschlossene Dritte; oder schlimmer noch: ein Elternteil wurde ausgegrenzt und Verhältnisse geschaffen, die eine für ein Kind überfordernde, aber Größenphantasien stärkende, die Generationengrenzen verwischende Situation erschufen.
Da hilft häufig ein weiteres Augenpaar, das andere Aspekte erkennen und benennen kann, das nicht parteiisch auf die Situation blickt oder moralische Werte über die Personen stellt, die hilft, das jeweilige Handeln im Kontext zu verstehen.

Es gibt immer einen Grund für unser Handeln – ob nun bewusst oder unbewusst.
Und unser Tun hat immer eine tiefe Bedeutung.
Affären sind Geschichten, One-Night-Stands sind Geschichten, sogar Hit-and-Run-Sex hat eine Bedeutung – in dem Fall die angebliche, dass sie bedeutungslos seien.
Es gibt keine menschliche Interaktion ohne Bedeutung!

Daher geht es in guten Paargesprächen oder in Paartherapien nicht so sehr um die Fakten: “wer hat was wann mit wem wie gemacht”, sondern um die Bedeutungsgebung, die der Handelnde dafür konstruiert.
Der/die Handelnde ist dabei sowohl “die/der Täter” als auch die/das “Opfer” seiner Sicht der Dinge.
Zudem sind es die Wechselwirkungen der Interaktionen und auch Umgebungsfaktoren spielen hier eine bedeutsame Rolle, die es zu bedenken gilt.

Ereignisse sind einfach Ereignisse / Fakten.
Ihre Bedeutung erlangen sie durch die Art unserer Einordnung in ein Bild, das wir selbst zeichnen, …
… indem wir bestimmte Aspekte wahrnehmen und andere nicht; durch die Art, wie wir etwas betonen, bewerten und durch die Worte, mit denen wir beschreiben, was für uns selbst (aber auch für unsere Umgebung) wichtig/bedeutsam ist und/oder auch als sinnvoll verstanden wird.

Um dahinter zu steigen, fragen wir uns:
“Was sagt uns dieses Erleben, Fühlen, Denken, Verhalten, ja auch diese Affäre, über die Person, diese Kultur, diesen Moment in diesem Leben und über den Entwicklungsstand in dieser Beziehung?”

Hier zeigt sich ein großer Vorteil von Langzeitbeziehungen, in denen die Beteiligten sich und die jeweilige eigene Geschichte und die des Partners gut kennen. Da muss dann nicht mehr alles persönlich genommen werden; da können Zuordnungen angeboten und Verwechslungen angesprochen werden, die aufklärend wirken. Solche Erkenntnisse sind zum Teil schmerzhaft, wie sie auch Nähe erzeugen, da man sich als Entlarvter eben peinlich berührt, aber auch gesehen, verstanden und wertgeschätzt fühlen kann.

Eine Beziehung, in der jemand eine Affäre hat, in der jemand geliebt werden möchte, kann kaputt sein – sie kann aber auch gerettet werden.
Interessanterweise ist Einsamkeit einer der häufigsten Antriebskräfte, sich anders zu orientieren.
Einige Seitensprünge, Bordellbesuche, Pornoseitenaufrufe finden ihre Bedeutung in der Unzufriedenheit mit der Beziehung: in Jahren von emotionaler Abweisung, gefühlter Abwertung, in differenten sexuellen Interessen, in Jahren von sexueller Dürre (z.B. wenn die Kinder klein sind), in jahrelangem gegenseitigen Ignorieren, in Jahren fehlender Kommunikation und Verbindung.
Es kann ein Schrei nach Hilfe, nach Beachtung und Weiterentwicklung sein.
Es kann aber auch eine Erkenntnis sein: Ich wusste gar nicht, dass das Leben anders sein kann, dass es einen Menschen gibt, der lieb zu mir ist, dass ich keinen Schmerz beim Sex haben muss, dass ich mich von jemandem begeht fühlen kann, dass es jemanden gibt, der zärtlich ist, großzügig und will, dass ich mich wohlfühle, dass es jemanden gibt, der mich nicht beständig kritisiert oder auch an mir selbst erkenne, dass ich den anderen für blöd hielt, weil er mich liebt, obwohl ich mich selbst für nicht liebenswert erachte.

Oft geht es gar nicht darum, dass Menschen wissen wollen, was auf der anderen Seite ist.
Vielmehr bemerken sie zum ersten Mal: es gibt eine andere Seite.
Aber auch die Frage: “Wie gestalte ich die zweite Hälfte meines Lebens?” lässt grundsätzliche Fragen aufkommen.

Wenn man dann nicht mit dem Partner als auch bestem Freund darüber reden kann und offen seine Ängste, Wünsche und Phantasien auszudrücken vermag, wird das Heil oft andernorts gesucht.

Lange gingen wir davon aus, dass Affären ein Zeichen für gestörte Menschen und gestörte Beziehungen sind … und dass deswegen die Beziehungen enden müssten.
Dabei lässt sich gut erkennen, dass, wenn Menschen über Affären oder diesbezügliche Phantasien reden, reden sie über zwei Personen – das Paar. (siehe z.B. Wir sind immer zwei Seiten einer Geschichte.)
Interessanterweise ist in solchen Gesprächen die dritte Person häufig gar nicht Teil der Geschichte.

Und wenn man sich dann interessiert: “Seid ihr früher schon mal mit dem Thema in Berührung gekommen?“,
entweder, weil ihr Kind eines Elternteils seid, der Affären hatte, oder eines Elternteils, der weggegangen ist, oder weil ihr selbst das Kind seid, das in einer Affäre entstanden ist, oder weil ihr Freund oder Freundin seid, an deren Schulter sich jemand ausgeweint hat, oder, weil ihr selbst diese dritte Person seid?
Dann zeigen sich ganz neue Seiten, von denen man sich im Nachgang vielleicht wie versklavt fühlt, weil man nichts ahnend nachgeäfft hat, was man andernorts nicht verstanden hat.

Denn schätzungsweise 85 % der Menschen sind von dieser Thematik irgendwie betroffen, haben aber nie einen Gedanken daran verschwendet.
Jedoch: was man nicht weiß und sieht, darüber stolpert man eher, als über das, was man ins Bewusstsein geholt und verarbeitet hat.
Das betrifft natürlich auch “die Stadien” einer Ehe / einer Langzeitbeziehung.
Für mich ähnelt die Entwicklung einer Beziehung der eines Einzelmenschen: am Anfang müssen wir ganz nahe sein, brauchen viel Hautkontakt, um uns sicher in der Welt / in der Beziehung zu fühlen, um Urvertrauen aufzubauen. Allmählich gewinnt dann der Pol der Eigenständigkeit wieder mehr Gewicht.
Die Entwicklungen der Einzelnen gehen nach unterschiedlichen Uhren, die im Gespräch und im nahen Miteinander immer wieder synchronisiert werden müssen.

Um also eine Langzeitbeziehung lebendig zu halten,
müssen Geben und Nehmen, Nähe und Distanz, Dominanz und Unterordnung, Kontrolle und Freiheit, Begehren und Vertrauen, Überraschung und Vertrautes, Risiko und Sicherheit immer wieder eine passend austarierte Balance finden.
Es braucht Selbstgewahrsein und authentische Offenheit sowie den Mut, sich zu zeigen und zuzumuten, wie auch die Kraft, das vom Partner gezeigte anzunehmen, zu diskutieren und Kompromisse zu finden, die für beide lebbar sind.
Das braucht oft Zeit, die man einander im Miteinander geben sollte, bis die rechte Lösung gefunden ist. Vorher sollte niemand Vorpreschen und aktiv werden.
Wie gesagt, in Beziehung sind wir immer nur die eine Seite eines größeren Ganzen.

Dabei ist es durchaus wichtig egoistisch zu sein. Denn – so erkläre ich es in meinen Therapien immer -, wenn ich egoistischer Weise dicke Kartoffeln ernten möchte, muss ich meinen Acker bestellen und pflegen. Denn nur wenn es meiner Umgebung gut geht, kann es mir dort auch gut gehen.
Oft wird Egoismus (der immer den ganzen Kreislauf in Blick hat) mit Egozentrik verwechselt. Dabei geht es allein um mich, die anderen sind mir egal. Diese Form der Ausbeutung funktioniert eine Weile, doch bald wird die Ernte geringer ausfallen und die Menschen um mich herum werden mich meiden. Niemand möchte ausgenutzt werden.

Untreue ist massiv egozentrisch.
Etwas nur für mich zu machen; z.B. Untreu sein, kann ein wichtiger Schritt sein, um sich seiner Selbst zu vergewissern, oder um sich aus einer zu engen Beziehung zu lösen.
Das kann sogar für eine Beziehung ganz wichtig sein, denn nur getrennt kann man sich aufeinander beziehen und eine Beziehung führen. Macht man alles zusammen, verschwimmen die Grenzen.
Ein idealer Zustand, den man sonst gelegentlich beim Sex miteinander erreicht oder wenn beim gemeinsamen Tun ein Gefühl von Flow eintritt und sich bald wieder auflöst, wird “Normal” und zerstört alles Spannende und die Beziehung, die keine Bezug mehr nehmen kann.

Vertrauen geht nur unabhängig von Gewissheit.
Untreue ist das Mal, insbesondere für Frauen, dass sie sich nicht sorgen müssen, schon wieder etwas für andere Menschen zu tun. Es ist eine Erfahrung von Freiheit – und dann – auf dem Fuße folgend – eben auch von Zerstörung, unwiederbringlicher Zerstörung von Ur-Vertrauen …
… was nicht heißen soll, dass Vertrauen nicht wieder aufgebaut werden kann.
Das aber muss man sich dann redlich verdienen; und dieses neue Vertrauen ist nicht mehr das unschuldige, naive Geschenk des Anfangs, es ist ein bewusstes und gewolltes Schenken, eine Entscheidung.
Es ist ja durchaus oft so, dass der/die Seitenspringer /in den/die Partner/in verlassen wollte, sondern ganz gezielt die Person, die man selbst im Laufe der Zeit geworden ist.
So gesehen ist Untreue zum Teil ein Akt der Selbstfürsorge, wie er eben auch Betrug an der Verabredung mit dem Partner ist.
Es geht ja in einer Langzeitbeziehung beständig darum, was ich im Miteinander für mich getan habe und was ich ich dir damit angetan habe; wie es mit der Balance von “Ich”, “Du” und “Wir” aussieht?
Es ist immer ein Balanceakt von mehr oder weniger und immer eine doppelte Geschichte.

Ein wichtiger Punkt, ich hatte es oben bereits erwähnt, ist unsere Sprache, die wir im Umgang miteinander pflegen.
Denn wir denken in Bildern und Text und der ruft wiederum Bilder und Gefühle und Phantasien hervor, die dann von uns und anderen als realitätsähnlich behandelt werden.
Die Art, wie wir etwas formulieren, ist also die Art, wie die Information in unserem Denken und Fühlen abgespeichert wird.
An diesem, unserem ganz persönlichen Abbild von der Welt orientieren wir uns im Alltag.
Was dort im inneren Bild eingetragen wird, existiert in unserem Bewusstsein – oder nicht.
So ruft z.B. der Satz: “ich habe mich sexy gefühlt” andere Assoziationen und Gefühlszustände hervor, als “ich habe mich lebendig gefühlt”.
Und es macht einen Unterschied der einen erheblichen Unterschied macht, ob wir z.B. in “Es”, “Ich”, “Wir” oder gar in “man” oder “die anderen” reden, ob wir damit Abhängigkeit und Opferrolle oder Eigenverantwortung und Täter-Macht, die Kraft des Handelns – so oder so -, organisieren.

Sexualität ist wie eine Linse, um Gesellschaften und Kulturen zu verstehen: ihre Werte, ihre Einstellungen gegenüber Frauen und Kindern, gegenüber Vergnügen und Fleisch.
Dabei ist es weniger interessant, wie oft Menschen Sex haben oder zumindest behaupten, Sex zu haben oder wie viele Orgasmen angegeben werden, sondern von Interesse ist, was Sexualität heute repräsentiert und was Erotik bedeutet.

Menschen wollen sich in Beziehungen lebendig spüren, wollen Freiheit und Neugier befriedigen.
Was sich wie Gefängnis anfühlt ist das Gegenteil davon.

Oft kommen Menschen in meine Praxis die 10, 20 oder 30 Jahr treu und monogam waren und plötzlich überschreiten sie eine Grenze, von der sie selbst niemals gedacht hätten, dass sie sie überschreiten.

Was bringt Menschen dazu, das zu riskieren, was sie sich über viele Jahre aufgebaut haben?
Oft ist es ein Schrei nach Leben: “Ich habe mich immer um andere gekümmert, und nun bin ich einsam.
Ich will einmal im Leben etwas anderes erleben, und ich weiß gar nicht wie sich das anfühlt.”
Dieses Bestreben, diese Selbsterkenntnis, solche Untreue muss ja nicht das Ende einer Beziehung sein.
Meist sind diese inszenierten Krisen der Anfang von intensiven Gesprächen – die es allzu oft lange nicht mehr gab.
Eine tiefe Kriese, die vielleicht über lange Zeit kompensiert, verleugnet oder mit Aufgaben zugedeckt war, wird nun deutlich. Eine Krise ist immer auch eine Chance und das Paar muss schauen, ob sie diese Kriese gemeinsam überstehen kann, ob es etwas damit anfangen kann, was die Krise lehrt.

Monogamie ist ein soziales Konstrukt.
Es wurde in der Geschichte meist Frauen auferlegt, aus wirtschaftlichen oder patriarchalen Gründen. Es hatte nie mit Liebe zu tun, und heute hat alles mit Liebe zu tun.
Entsprechend verhandeln Menschen dauernd über Monogamie, über Einzigartigkeit, über Individualität.
Das ist jedoch nur der eine Pol, der da betont wird. Die andere Seite ist der Wunsch nach Zugehörigkeit, nach Wertschätzung, Wärme, Sicherheit, Verbundenheit, Treue, Verlässlichkeit, Berechenbarkeit in einer Welt, die immer unüberschauberer, medialer (vermittelter statt unmittelbar begreiflich) und globaler geworden ist.
Aber selbst wenn man über Masturbation spricht geht es um Monogamie.
Für die meisten ist dies seit der Pubertät ein Teil der eigenen Sexualität. Die Idee, dass jemand kommt und sagt: “Jetzt, da wir zusammen sind, darfst du das nicht mehr machen”, ist unvorstellbar. Auch in einer Beziehung braucht es eigenes! … nicht nur in Bereich der Sexualität.

Aber wenn jemand kritisiert: “anderen gegenüber bist du viel aufmerksamer, als mir gegenüber”, dann steckt dahinter ein Wunsch. Hinter jeder Kritik steckt ein Wunsch!
Wenn der bewusst wäre und ausgedrückt werden würde, wäre das Leben oft leichter.
“ich hätte gerne mehr Aufmerksamkeit von dir. Wenn du mit den Kindern spielst, bist du witzig, verspielt, liebevoll. Wenn du dich um unsere Gäste kümmerst, bist du aufmerksam, fokussiert, hängst nicht gleichzeitig am Telefon. Du gibst dein Bestes, und dann bringst du die Reste mit nach Hause.”
Viele Paare leben von den Resten.
Das Beste geht an die Kinder, an Freunde, an Kunden und Kollegen.
Fast selbstverständlich gilt die Vorstellung, dass eine Beziehung überlebt wie ein Kaktus.
Also: wenn sie 10 % der Kreativität und Einfallsreichtum, die sie in ihre Affäre stecken, ihre Ehe widmen würden, ginge es ihre Ehe deutlich besser.

Wenn eine Affäre entdeckt wird oder sie danach gefragt werden, seien sie ehrlich.
Denn an der Stelle wiegen Lügen schwer; wirken wie doppelter Betrug.
Wenn eine Affäre herauskommt, verursacht sie bei dem anderen manchmal einen enormen Schmerz und berührt ihn in seinem Innersten … wegen der Erwartungen: “Weil ich dachte, du könntest so etwas niemals tun. Weil mein Vater es mein ganzes Leben lang getan hat. Weil ich ohnehin schon dachte, dass ich nicht attraktiv bin und du es jetzt bestätigt hast.”
Solche Enttäuschung – das Aufdecken und Loswerden einer Täuschung / Illusion – wirkt oft verheerend. Das muss man verstehen und aushalten – beide!

Erst wenn der Konflikt / das Thema verstanden ist, kann es zu einer Lösung kommen.
Lassen Sie mich das kurz ein einem Beispiel erklären: wenn ein Gast ins Haus kommt und etwas trinken möchte, kann man losziehen und etwas holen. Ohne dass aber klar ist, ob der Gast Durst hat und ein Wasser möchte, ob er unterzuckert ist und ein süßes Getränk braucht oder Geselligkeit sucht und dabei Kaffee, Tee oder etwas alkoholisches bevorzugt, all das beeinflusst, ob eine passende und gute Lösung gefunden wird.

Nach einer Weile, wenn der erste Schock überwunden ist und man wieder nüchtern denken kann, kann man auf der Basis der tatsächlichen Realität schauen, an welchem Punkt man steht.
Für den Betrogenen ist es auch ein Wertverlust.
Daher taucht immer wieder die Frage auf, ob man das wiedergutmachen kann.
Manchmal hat der Partner eine Idee, was für ihn angemessen wäre.
Manchmal kann und will man diesen Preis zahlen, oft bleibt es etwas, das in der Phantasie funktioniert. In der Praxis des Erlebens ist es jedoch oft anders.
Vermutlich ist der brauchbare Weg, den Verlust zu betrauern und zu sehen, was man mit den vorhandenen und verbliebenen Ressourcen anfangen kann.
Es ist ja immer nur die Frage, was wir aus den Gegebenheiten machen. Denn, wie schon gesagt, werden die Ereignisse erst durch unsere Bewertung zu dem, was sie dann an Wirkung auf uns entfalten.

Ja, Ehrlichkeit kann grausam sein.
Doch nicht immer steht die Reaktion des Betrogenen im Verhältnis zur Schwere der Grenzüberschreitung. Manche reagieren auf einen One-Night-Stand, als handele es sich um eine 10 Jahre währende Affäre. Andere reagieren auf eine mehrjährige Affäre mit sehr viel Fassung.
Es ist immer eine kompliziert Frage, ob man es sagen soll oder nicht.
Sein Gewissen zu erleichtern, ist keine gute Motivation.
Sie bürdet dem Partner möglicherweise etwas auf, das nur marginal etwas mit ihr/ihm zu tun hat.
Es ist also genau zu prüfen, was Verantwortungsübernahme für das eigene Handeln bedeutet.
In einer Beziehung muss man nicht immer alles teilen . Für manche Dinge muss man ganz allein in die Hölle.
Ist die Aktion jedoch mit einem Beziehungsthema verknüpft, kann das Problem nur gemeinsam gelöst werden. Auch die Verschiebung auf einen anderen Partner wird hier in der Regel nur einen zeitlichen Aufschub bedeuten.
In jedem Fall sollte klar werden, dass man sich jetzt und folgend um seine Beziehung kümmern muss, um sie lebendig und glücklich zu gestalten.
Ohne Sähen keine Ernte, ohne Investment, kein Gewinn!
Erfolg ist dabei nicht vorhersehbar und schon gar nicht garantiert.

Vielleicht kann man eines Tage, während man ruhig zusammensitzt, fragen:
“Gibt es Dinge, die du mir nie erzählt hast?”
“Wollen wir diese wirklich wissen, oder belassen wir es dabei, dass wir es gut miteinander haben?”

In der honey-moon-phase kann man sich kaum vorstellen, dass diese Themen einmal wichtig werden. Aber das Leben ist lang, die Interessen entwickeln sich und die Einzelnen legen innerhalb einer Beziehung ein unterschiedliches Tempo vor. Das kann zu Ungeduld und Hoffnungslosigkeit führen.
Daher sind regelmäßige Themenabende ohne Störung sehr hilfreich – ohne oder mit therapeutischer Unterstützung.
So lernen Paare über Herpes zu sprechen, über SaferSex, über Wünsche und Befürchtungen, über Kinder und Erziehungs- oder Lebensvorstellungen.
Wenn sie lernen in guter, respektvoller, ruhiger und verständnisvoller Weise miteinander zu sprechen und einander zuzuhören, sind sie gut vorbereitet, Krisensituationen gemeinsam aufzufangen.
Die werden kommen … und gehen.
Jede bewältigte Gefahr bringt Selbstvertrauen und Vertrauen in das “Wir”.

Zudem lässt sich dann auch mit Freunden darüber reden:
“Wenn ich deinen Partner mit einem anderen sehen würde, würdest du wollen, dass ich es dir sage?
Welche Art von Freund oder Freundin soll ich sein?”
Denn Untreue ist systemisch, sie ist gesellschaftlich, sie dreht sich nicht nur um zwei Menschen.
Das ist eine soziale Frage,


Quelle und vor allem Anregung: Interview von Johanna Dürrholz und Felix Hooß mit Esther Perel, gleichnamigre Titel in Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 26. 7. 2020
sowie eigene Eindrücke aus Paartherapien

Wir sind immer zwei Seiten einer Geschichte

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Der Kuss von Gustav Klimt (1907–1908)

Ob als Paar daheim, ob mit den KollegInnen im Büro, in der Politik, im Streit, selbst bei Mobbing oder Hassbotschaft, wie auch im liebevollem Miteinander: „Wir sind immer zwei Seiten einer Geschichte“
Denn ohne ein Gegenüber, sei es Person oder Thema, gibt es keinen Bezugspunkt, der von uns selbst mit Sinn aufgeladen und gedeutet wird.
Immer liegt es also an uns selbst, ob wir das Trennende oder das Gemeinsame / Ergänzende in Bezug auf den oder das andere in unseren Vordergrund unserer Aufmerksamkeit nehmen und für bedeutsam / wichtig / wesentlich erklären.
(Unter anderen Umständen fiele diese Ansicht möglicherweise auch ganz anderes aus.)

Nie ist unser Eindruck objektiv. Oder andersherum ausgedrückt: immer ist unser Eindruck subjektiv.
Niemand kann je wissen, was außerhalb seiner selbst ist.
Alles was wir über die Welt wissen, ist, was und wie unsere Sinnesorgane sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen – und das nur im Rahmen ihrer Bauart und in dem eingeschränkten Spektrum, in dem sie Unterschiede messen. Das „wie es außerhalb von uns selbst“ aussieht, darauf haben sich Menschen im Laufe der Zeit geeinigt. Für den Alltagsgebrauch reicht es ja auch, wenn man sich damit hinreichend verständigen kann. … Bis wir uns einer Wahrnehmung bewusst werden, kommen zu unseren Eindrücken dann noch (aufgrund unserer aktuellen Bedürfnislage und unserer früheren Erfahrungen) die Interpretation in unserem Gehirn dazu. Interessant dabei ist, dass die meisten Zellen im Gehirn vor allem untereinander kommunizieren und nur wenige je echten Kontakt mit der Außenwelt haben.

Wir können anderen lediglich von unserem Empfinden, von unserem aktuellen Fokus der Aufmerksamkeit, von den dazugehörigen Erfahrungen in der Vergangenheit und von unseren Zukunftserwartungen und Wünschen, von unseren Vorstellungen und unserem Weltbild erzählen … am besten ich „Ich-Form“.
Das zeigt, dass ich mir darüber bewusst bin, was ich sage.
Was „man“ will und tut oder wer und wie „du“ bist, kann ich nicht wissen!
Falls Ich darüber eine Aussage treffen möchte (also dem anderen eine Selbstoffenbarung darüber geben will, wie es in mir aussieht), dann bitte bei den zuschreibenden „Du-Sätzen“ nicht den ersten Teil des Satzes: „Ich finde, Du bist …“ weglassen.

Aus diesen Überlegungen geht auch hervor, dass es unmöglich ist, jemand anderen glücklich oder unglücklich zu machen. Über die eigene Erleben, Denken, Gefühl, Handeln und Befinden entscheidet letztlich jeder selbst – auch wenn manche Einladungen (sehr) starke Aufforderungen sind, etwas in einer bestimmten Weise anzunehmen und mit zu erleben.
Wir können also zwingend erscheinende Einladungen aussenden; doch ob diese Angebote angenommen werden, liegt bei zwei Leuten eben nur bei „geteilt durch 2“ bei 50 % in der Hand des Einladenden.
Denn jeder Mensch ist ein autonomes (selbstbestimmtes) Wesen – auch Kinder! … Partner, Untergebene.

Daher bestimmt jeder – ob bewusst oder ohne Wissen – selbst, was und wie oder ob überhaupt sie/er etwas in den „Scheinwerfer“ der Aufmerksamkeit nimmt und für wie tragbar er /sie das Risiko einschätzt, auf ein Kommunikationsangebot einzugehen.
Es bestimmt auch immer der Empfänger den Inhalt einer Botschaft. Denn man kann nur wahrnehmen, was man zumindest schon ein bisschen kennt. Anderes kann man nicht einmal sehen, hören usw. – Typisches Beispiel: Sie suchen Spinat in grüner Verpackung im Eisschrank, das dort jedoch in einer weißen Verpackung liegt … und finden … nichts, obschon das Gesuchte da ist; nur dass es nicht ihren Erwartungen und Suchkriterien entspricht: darum (er)kennen Sie es nicht.
Daran ist also nicht der/das andere „Schuld“, sondern die eigene Einstellung und Erwartungshaltung.
Dies zu erkennen und sich darüber bewusst zu bleiben, könnte viel Unglück in der Welt verhindern helfen. Es könnte immer wieder Wege der Verständigung eröffnen, wo sonst archaische Gefühle von Angst vor XY oder die Wut über XY und die vermeintlich böse Welt die inner Führung übernehmen würden.

Bildquelle:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_Kiss_-Gustav_Klimt-_Google_Cultural_Institute.jpg

Ideen für Biebertal

Viele Ideen in die Tat umgesetzt ergeben ein gutes Gefüge

Dem ehemaligen Ortsvorsteher Helmut Mattig liegt das Motto der 750 Jahrfeier Fellingshausen 2014 „Tradition erhalten – Zukunft gestalten“ – sehr am Herzen.

Der Presseartikel „Ländlichen Raum zukunftsfähig machen“ vom 16.11.2019 machte auf den Wettbewerb „Unser Dorf hat

Der Presseartikel „Ländlichen Raum zukunftsfähig machen“ vom 16.11.2019 im Gießener Anzeiger machte auf den Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ aufmerksam. Da nur die Gemeinden die Teilnahme am Wettbewerb anmelden kann und die Anmeldefrist am 28.2.2020 ausläuft, ging eine schriftliche Erinnerung dazu an die Bürgermeisterin. Eine Antwort blieb bislang aus.

So erschienen Anfang und Mitte Februar in den Biebertaler Nachrichten vom Marktteam, in dem Mattig mitarbeitet, der Aufruf an die Bürger, Ideen zu entwickeln, damit unser Dorf auch in Zukunft lebens- und liebenswert bleibt.
Das Marktteam in Fellingshausen bietet dort an, sich darum zu kümmern.

Auch der Biebertaler-Bilderbogen.de (kurz: bibibo.de) hat diese Ideen bereits aufgegriffen und unter der Seite Treffpunkte eine interaktive Plattform geschaffen, Dort findet man die Rubriken „Meinungstreff„, sowie „Lobenswert“ und „Verbesserungswürdig„.
Hier können Bürger über den E-Mail-Kontakt info@biebertaler-bilderbogen.de ihre Ideen und auch Bilder dazu weitergeben.

Wir hoffen, damit eine öffentliche Diskussion anzustoßen, die genau diese Ideen und die vorhandenen Kompetenzen im Dorf für ein besseres Zusammenwirken stärkt.
Man hat den Eindruck, dass es an Kommunikation zwischen den Akteuren bzw. den Menschen mangelt, die etwas für ihr Dorf tun möchten.
Der Besuch von Veranstaltungen mit mehr persönlichem Kontakt ist oft aus Zeitmangel nicht möglich, aber Medien bieten die Chance, sich dennoch zu beteiligen und mitzugestalten.

Es macht Sinn, den Zusam­menhalt im Dorf zu stärken! Eine Unterstützung, bei dem auch Fördergelder winken, ist der Wettbewerb, „Unser Dorf hat Zukunft“ (Bis 1997 „Unser Dorf soll schöner werden“)
Es geht dabei darum, den Lebensraum eigen­verantwortlich zu gestalten und damit die Lebensqualität im ländli­chen Raum für alle Einwohner/innen auf Dauer zu sichern.
Das erfordert aber Initiative, Kreativität und Innovation der Bürger.
Helmut Mattig führt als Beispiele dafür den Wochenmarkt und die Intitiative für den Erhalt eines Geldautomaten im Dorf an, bei der er aktiv ist. Darüber hinaus gibt es, wie der Veranstaltungskalender des Bilderbogens eindrücklich zeigt, sehr viele Bemühungen von Bürgern in Vereinen, Veranstaltungen, Naturschutz usw., die gewürdigt und vielleicht auch gefördert werden könnten. Wertschätzung jedenfalls tut gut! Ebenso ist es wichtig, für eine gewisse Grundversorgung in den Ortschaften zu sorgen.

Helmut Mattig: „Wichtig ist doch, weiterhin den Zusammenhalt im Dorf zu stärken, damit sich alle – Jung und Alt, Neubürger und Alteingesessene – zu Hause fühlen können, unter Menschen, auf die sie sich verlassen können, in einer Gemeinschaft, für die sie sich gerne engagieren (z.B. in Vereinen und losen Gruppierungen)!“

Quelle: Biebertaler Nachrichten, Nr. 7, 14.2.2020 und Nr. 8, 21. 2.2020
https://www.mittelhessen.de/infos-zu-unser-dorf-hat-zukunft_20706175

Foto: Eveline Renell

Unser Grenzsteingarten am Kelten-Römer-Pfad

Helmut Döpfer an den Hinweistafeln in Biebertal-Fellingshausen

Der Grenzsteingarten (Lapidarium) wurde im Frühjahr 2014 maßgeblich von Ernst Döpfer, Obmann für Historische Grenz- und Vermessungsmale im Landkreis Gießen, eingerichtet und noch heute gepflegt.

Im Lapidarium sind u.a. historische Vermessungsmale (Rillensteine) zu sehen,

In den Flyerboxen (oben zu sehenden) finden sich Informationen über die ausgestellten historischen Grenzsteine, zu Hausmarken- und Wappenkunde und zur früheren Schreibweise von Buchstaben und Zahlen.

Aktuell sind die Flyerboxen leer: Die Kästen sind undicht und durch den Regen der vergangenen Zeit sind die Faltblätter durchnässt, schimmeln, sinken vom Eigengewicht nach unten. Gibt es dann zwischendurch Frost, werden die Blätter von Besuchern des Denkmals nur teilweise herausgerissen … weil unten festgefroren. 
Es gibt 4 Flyerboxen für 8 verschiedene Flyer.
Zur auffälligen Trennung legt Herr Döpfer extra ein Blatt aus rotem Plastik dazwischen. Auch das nehmen dumme Menschen mit.

„Demnächst (März/April) reinige ich wieder einmal alles und fülle die Kästen mit den offensichtlich gefragten Faltblättern auf,“ so Döpfer. „Es wundert mich sehr, dass bislang noch niemand nachgefragt hat:  Wer druckt die Faltblätter – wie kommen die wöchentlich dorthin – wer bezahlt den Druck? !!!“

„Ebenfalls wöchentlich beseitige ich fein säuberlich die Hinterlassenschaften von unachtsamen Mitmenschen:  leere Flaschen (beliebt sind Wodka und Wein) und Dosen (Bier, Apfelwein). Flachmänner, neuerdings auch Frühstücks-Papier der Bäckerei aus dem neuen Edeka, Papiertaschentücher, Bonbonpapier und nicht zu vergessen: Hundescheiße, verpackt in den am Weg angebotenen Plastiktüten. Ein freundlicher Mensch hat auch schon mal ein Papier mit dem Titel „Jesus lebt“  in die Flyerboxen gestopft.“
Aus eigener Anschauung möchte ich hinzufügen, dass der Hundekot auch unverpackt da gelassen wird, einfach achtlos und verantwortungslos vor der dort befindlichen Sitzbank. Reintreten soll ja Glück bringen! Doch wertschätzender Umgang mit anderen wie mit der Natur an unseren Wegen geht einfach anders. Dies zumal, wenn auch erst nach einiger Strecke, Mülleimer von der Gemeinde angeboten und geleert werden.

Quellen: persönliche Mitteilungen und persönliche Eindrücke, sowie
https://www.grenzmale-hessen.com/lapidarien/gleiberger-land/

Gewalt folgt ihrer eigenen irrationalen Logik

Während ich mich im Urlaub über das tolerante Neben- und freundliche Miteinander verschiedenster Menschen und Nationalitäten begeisterte, erfuhr ich aus dem Gießener Anzeiger vom 24. Januar, dass in Biebertal inzwischen zu Waffen gegriffen wird, um Konflikte auszutragen.
Das bezeichnet eine neue, schreckliche Eskalationsstufe – nicht nur in Biebertal!

Viele verschiedene Menschen – viele verschiedene Interessen
Betont man die Differenz, geht man sich in der Folge aus dem Weg … reale Eindrücke werden weniger, Vorurteile bleiben oder entwickeln sich stärker.
Betont man das Gemeinsame und Ergänzende, lässt sich mit Interesse und Toleranz meist ein Weg der Verständigung finden.

Um in Biebertal zu bleiben: Warum schießt jemand auf das Eigentum eines Busunternehmers?
Warum verwandelt jemand eine zugelassene Mountainbike-Strecke in eine lebensgefährliche Falle?

Derartige Eskalationen folgen ihrer eigenen inneren Logik: die Beteiligten sind von der Dynamik des Geschehens wie versklavt; Sie sind nahezu gezwungen, zu immer härteren Mitteln zu greifen. Denn ihr Ziel, die anderen zu erreichen und ihnen die eigenen Positionen aufzuzwingen, kann mit diesen Mitteln der Gewalt nicht erreicht werden.
Denn die Form wird immer den Inhalt überschatten, so dass kaum zu echtem Kontakt kommen kann.

Wie bei so vielen Themen ist das Problem, dass nicht miteinander gesprochen,
sondern übereinander geredet und übereinander phantasiert wird.

Der Königsweg ist natürlich der reale Kontakt; das echte Gespräch auf Augenhöhe und im Augenkontakt – so dass auch Mimik, Gestik, Tonfall, Lautstärke, Stimmmodulation usw. wahrgenommen sowie Hintergründe von Meinungen und Zielen ausgetauscht werden können.
Ein gangbarer Weg führt aber auch über Medien, die zwar grundsätzlich ein “Dazwischen” sind und trennend wirken. Daher eigenen sie sich ja so gut für Hassbotschaften. Dort kann man sich ja anonym und feige äußern, ganz ähnlich denen, die real in der analogen Welt aus dem Hinterhalt agieren.

Medien lassen sich jedoch auch verbindend einsetzen. So z.B. über den >Meinungstreff< des Biebertaler-Bilderbogens. Hier dürfen sich kritische Geister zeigen; hier werden kreativen Ideen als Bereicherung verstanden, die dann hoffentlich zu konstruktiven Vorschlägen ausdiskutiert werden.

Wenn die machtvollen Täter also wirklich mutig sind, agieren sie nicht aus dem Hinterhalt und gefährden die Leben der anderer.
Vielleicht begreifen sie in der Diskussion, dass wer hasst, letztlich zuerst und langanhaltend den eigenen Körper den Auswirkungen dieses Gefühls aussetzt. Das bedeutet chronischen Stress, der langfristig sehr ungesund ist und das eigene Leben gefährdet.
So ist das mit den Gemeinsamkeiten, die man zuerst oft nicht sieht.

Ich bin froh, dass ich hierzulande alltäglich ohne Bewaffnung durch den Wald und die Straßen fahren oder gehen kann – ohne Gefahr zu laufen, dass ich, an der roten Ampel stehend, ausgeraubt werde. Dazu hatten wir uns gesellschaftlich bereits vor etlichen Jahrzehnten geeinigt, die Waffengürtel abzulegen und das Gewaltmonopol an den Staat und seine Vertreter abzutreten – die ihrerseits beeiden, diese Macht zum Wohle der Allgemeinheit einzusetzen.

Immer – auch seitens der Politik – da, wo eine Informationslücke entsteht, wird diese mit eigenen Phantasien und früheren Erfahrungen verbunden. Diese Gedanken erzeugen Gefühle, erzeugen und verstärken Stimmungen – bestätigen Vorurteile, statt dass genau hingesehen wird.

Radfahrer z.B., so erlebte ich es, fahren oft ohne sich bemerkbar zu machen, relativ schnell auf Fußgänger zu. Erschrecken und unfreundliche Begegnungen entstehen.
Solch negative Eindrücke und die Enttäuschung eigener Erwartungen führen schnell zu Stimmungen.

Insbesondere die nur schwer auszuhaltenden Gefühle Hilflosigkeit und Ohnmacht kennt jeder aus frühester Kindheit, erinnert das aber meist nicht mehr. Doch damals, wie auch in Stresssituationen, gibt es nur “entweder-oder”, “schwarz-oder-weiß”, “gut-böse”, “alles-oder-nichts”, “ich-oder-du”.
Da sich niemand gern klein, unterlegen oder machtlos fühlt, wird die passiv erlebte Angst vor der Ohnmacht lieber in aktive Wut bis hin zu Hass und Menschenverachtung in aggressive Tat gewandelt und so aus dem Erleben abgewehrt und dafür dem anderen als dem bösen “Verursacher” angelastet.

Einmal stimmt das sachlich inhaltlich nicht, da alle Menschen autonome Wesen sind und jeder, zumindest seine Gefühle und Handlungen, immer selbst macht.
Zum anderen lassen sich tragfähige Lösungen nur im Miteinander finden, die von allen Beteiligten – mit mehr oder weniger Zähneknirschen oder vielleicht sogar mit echtem Gewinn für alle – getragen werden können. Der Austausch von Ideen bringt ja immer wieder unerwartete Überraschungen und gangbare Wege, die man allein nicht gesehen hätte.

Hier braucht es ein Umdenken und die Bereitschaft Dorfgemeinschaft wieder als Teil des eigenen egoistischen Interesses (z.B. sich frei bewegen und frei reden zu können) zu begreifen; es nicht den Politikern zu überlassen oder gar selbst ernannten Sheriffs.


Konflikt-formen und -lösungen:
1. banale Missverständnisse – um sie aufzulösen braucht es eine Aufklärung der Kontexte: wie was von wem, unter welchen Umständen, gemeint war und gehört wurde.
2. Verwechslungen (Übertragungen), dabei erlebt und sieht man jetzt im anderen etwas, was eigentlich in eine andere Zeit, zu einer anderen Person oder eine andere Situation gehört (z.B. da verhält sich jemand so wie der eigene Vater und löst entsprechende Gefühle und Reaktionen aus).
Hier gilt es, die Zusammenhänge aufzuklären, Abstand zu finden und den Kontakt zum aktuellen Gegenüber, zu aktuellen Situation herzustellen.
3. bei differenten Zielen und Wertvorstellungen – hier ist der gemeinsame Lösungsweg vorgeben: die Suche nach einem Kompromiss.
Das ist der Kernpunkt unserer demokratischen Verfassung.

Legen jetzt die Hähne Eier?

Diese Eierverpackung sah ich kürzlich bei Edeka und stellte mir die Frage „Legen jetzt die Hähne Eier?“ Man muss näher hinsehen, dann steht da „Wir ziehen die Bruderhähne mit auf.“


12 Milliarden Eier von ca. 40 Millionen Legehennen werden jährlich in Deutschland verbraucht. Logischerweise ist bei der Geburt die Hälfte der Küken männlich. Da sie den Maststandards für Hähnchenfleisch nicht entsprechen, werden also 40 Millionen Küken nach dem Schlüpfen getötet. (Statistisches Bundesamt vom 1. 12. 2016) Weitere Informationen bei www.bruderhahn.de
Ein wesentlicher Aspekt dieser Fehlentwicklung ist die Züchtung von Hochleistungstieren für die Eiererzeugung oder die Milchproduktion. Hybrid-Hühner legen ca. 300 Eier pro Jahr, sind aber nach 2 Jahren „fertig“ – und werden abgeschlachtet. Alte Rassen, wie sie noch von Hobbyzüchtern gehalten werden, leben fünf – neun Jahre, legen 140 – 180 Eier pro Jahr, pausieren aber im Winter https://www.huehner-haltung.de/haltung/produktive-huhn/ . Deshalb wurden Eier haltbar gemacht, zum Beispiel für 3-6 Monate in einer „Wasserglas“-Lösung (Natriumsilikat). Früher hielt man Doppelnutzungsrassen, die auch zur Fleischverwendung geeignet waren. Außerdem waren die Mastzeiten länger. Wir müssen weg vom „Schneller, höher, weiter“. Tierzucht ist keine olympische Disziplin!

Pressemitteilung 6. Dezember 2019 Bruderhahn Initiative wird zu Brudertier Initiative
Auf ihrer letzten Mitgliederversammlung hat die Bruderhahn Initiative Deutschland (BID) die Weichen für eine Neupositionierung der Initiative gestellt. Es wurde beschlossen, sich für weitere Tierarten zu öffnen, um den eigenen ethischen Anspruch an die Tierhaltung über die Eierproduktion hinaus geltend zu machen.

Die dafür erforderliche Satzungsänderung wurde von der Mitgliederversammlung verabschiedet. Demnach wird die Bruderhahn Initiative in Brudertier Initiative umbenannt, wobei die Abkürzung BID erhalten bleibt. Beschlossen wurden außerdem Änderungen bei der Zertifizierung für das BID-Siegel und den Abrechnungsmodalitäten. Nach den politischen Erfolgen, die die Bruderhahn Initiative für die Thematik des Kükentötens erzielen konnte, wurde aus der Öffentlichkeit vermehrt an die BID-Mitglieder herangetragen, dass es auch im Bereich anderer Tierarten offene ethische Fragestellungen gibt. Es finde sich beispielsweise für Bullenkälber aus ökologischer Landwirtschaft keine ausreichende Absatzmöglichkeit im Biomarkt mit zum Teil ethisch bedenklichen Auswirkungen. Ähnlich sei die Situation für männliche Ziegenkitze und Lämmer. Hier sollen Lösungen gefunden und Vermarktungskonzepte entwickelt werden. Weitere damit in Zusammenhang stehende Fragen, wie z.B. muttergebundene Kälberaufzucht oder Ferkel-Kastration, sollen in der Brudertier Initiative in Zukunft diskutiert werden. Insbesondere wird an der Entwicklung von Richtlinien für eine Schlachtzertifizierung gearbeitet. Die Umgestaltung in die Brudertier Initiative wird über einen längeren Zeitraum realisiert werden. Einen festen Zeitplan gibt es zunächst nur für die Umsetzung des geänderten Zertifizierungs- und Abrechnungskonzepts im Bereich der Hühnerhaltung. Hier wird die Umstellung bis 31.12.2020 abgeschlossen sein. Es werden nun weitere Öko-Betriebe – z.B. aus der Rinderhaltung – gesucht, die sich mit dem Ziel der Brudertier Initiative identifizieren und sich dafür engagieren wollen, jegliche unethische Praxis bei der Haltung, dem Transport und der Schlachtung von Nutztieren zu beenden.

(Statistisches Bundesamt vom 1. 12. 2016);
www.bruderhahn.de
https://www.huehner-haltung.de/haltung/produktive-huhn/
Eigene Kenntnisse

Foto: Eveline Renell