Aufstellungen – was soll das denn sein?

Ende April fand in den Räumen des Breitensportvereins ein erstes Aufstellungs-Seminar statt.
Da stellt sich sicherlich so manchem die Frage: „Aufstellungen – was soll das denn sein?
Dies zumal am 15. Oktober auf Wunsch der Teilnehmer/innen eine Fortsetzung stattfinden wird.
Weitere Informationen gerne über meine Praxismailadresse: info@lindemann-coach.de

Hier starte ich mal den Versuch, zu erklären, was wir da so machen … und warum bzw. was da bewirkt werden kann.

Screenshot aus dem WDR-Video Familienaufstellung: Wege aus der Psychokrise
Die Technik des Aufstellens

Bei dieser, aus dem therapeutischen Kontext stammenden, Methode (die heute gerne in Coachings im beruflichen Kontext genutzt wird), werden Gruppenmitglieder angefragt, ob sie sich als Stellvertreter für jemanden oder etwas im Raum aufstellen lassen.

Dann nimmt die oder der Aufstellende die Person schweigend und ohne vorher etwas zu seiner Situation erzählt zu haben, bei den Schultern und stellt die Person – ohne Kommentierung oder darzustellende Gesten – an einen Platz im Raum. Durch das einfach Hinstellen werden Beziehungen zueinander – sozusagen pur – räumlich dargestellt.
Sichtbar wird eine subjektive wirksame Wirklichkeit der/des Aufstellenden, das inneres Bild eines Systems, seien es Familie, ein beruflicher Kontext, Selbstanteile (gesunde wie kranke z.B.) oder ein anderes Modell.
Dabei entstehen bei den Stellvertretern, die für eine Personen oder einen Aspekte des Themas gestellt wurden, über den Ort, an den sie gestellt wurden, über die Ausrichtung, über Nähe bzw. Abstand wie aus der Relationen zueinander fühlbare Eindrücke, die abgefragt werden können.
Da die Aufgestellten keinerlei Informationen über das System des Aufstellenden haben, sind sie frei vom Wissen über die „Übereinkünfte“, was im System der/des Aufstellenden dazugehört oder was dort Tabus ist.
So können von der aufstellenden Person bisher nicht gesehene, nicht bedachte oder nicht beachtete Gesichtspunkte, Zusammenhänge, Motive oder gar Personen ans Licht kommen.
Das ist eine ganzkörperliche Erfahrung für alle Beteiligten, denn in beiden Rollen (aufstellend / stellvertretend) ist man mit eigenem Erleben und persönlichen Prozessen involviert.
Dennoch sind die Aufgestellten lediglich ein Medium, das sich empathisch in ein fremdes System eingefühlt hat. Das ist insbesondere Spürbar, wenn sich das eigene Körpererleben, mittels somatischen Marker, an den verschiedenen Plätzen im Raum ganz unterschiedlich anfühlt oder plötzlich Emotionen hervorgerufen werden.
So gilt es, sich nach dem Ende der Aufstellung die Rolle wieder “abzuschütteln”, sich wieder frei zu machen.

Wozu?

Im Seminar ermöglicht das gemeinsame, wohlwollende Anschauen von Wirkräumen und das bewusste Prozessieren sowohl veränderte Beziehungen, Klärungsmöglichkeiten und konstruktive Konfliktbewältigung für offensichtliche wie für unbewusste Prozesse, die nun integriert werden können. Bindende Verstrickungen können in Frage gestellt und überwunden werden. Auch unterbrochene Bewegungen können hier symbolisch und stellvertretend zu Ende gebracht werden. Fälschlicherweise Übernommenes kann zurückgegeben, Verlorenes oder Aufgegebenes kann wieder aufgenommen werden.
Erst wenn etwas bewusst wird, lässt sich wählen. Solange man nichts merkt, muss man ertragen, was ist.
Denn das Unbewusstes wirkt, obschon – oder gerade weil – wir es nicht wissen: Wir stolpern eben eher in Löcher, die wir nicht sehen, als in solche, die klar erkennbar sind.
Erst nachdem etwas aufgefallen ist / ein Fehler bewusst geworden ist / eine Krise entstanden ist, können (Richtungs-) Entscheidungen getroffen und das eigene Leben als eigener Chef gestaltet werden.

Ziel der Aufstellung ist es, aus dem meist problembehafteten Anfangsbild ein Wirkbild zu finden, das für alle Beteiligten eine deutliche Verbesserung und ein größeres Wohlbefinden bedeutet.
Durch das Verfolgen des in der Aufstellung ablaufenden Prozesses, den der/die Aufstellende von außen betrachtet, wie später auch durch Eintreten und Hineinspüren in das Endbild, werden im Alltag Veränderungen möglich, da sich Perspektiven wie Haltungen verändern. Wo alte Konzepte bisher blockierend wirkten, kann durch die Arbeit ein ver-rücktes Bild zurechtgerückt werden und ein neues Bild (er)lösend wirken.

Theoretische Überlegungen

Wir existieren nie ohne „Umwelt“ / ohne Kontexte* und Interaktionen, die in Feedbackprozessen auf uns zurückwirken. So bringen wir die Welt, wie sie uns erscheint, mit anderen zusammen hervor.
Systemisch gesehen orientiert sich unsere Aufmerksamkeitsverteilung, unser Erleben, Fühlen, Denken und Verhalten kontextabhängig; d.h. bestimmte Erlebens- und Verhaltensweisen tauchen in Abhängigkeit von Situationen auf, sind nicht unbedingt Persönlichkeitsmerkmale oder Charakteristika.
(*Kontext = Zusammenhang mit dem umgebenden Text, unserer Erklärung, Deutung, Bedeutungsgebung, wie auch Zusammenhang von Umständen in und Zeit und Raum, in dem wir uns allein oder mit anderen zusammen befinden.
Wir sind nicht so oder so, sondern unter diesen oder jenen Bedingungen erleben und verhalten wir uns so oder so.)

Im Ergebnis trägt Jede und Jeder Bilder/Modelle/Skripte von der Welt, von sich und seinen Beziehungen als subjektive Wirklichkeiten mit Motiven, Erlebens-, Fühl-, Denk- und Handlungsmustern, Bindungsstilen, Erinnerungen und Erwartungen in sich. Diese inneren Bilder/Verarbeitungsmuster sind relativ statisch/konstant, wie Bilder eben sind.
Sie helfen in „Standardsituationen“ den Alltag energiesparend zu bewältigen.
Die äußere Realität verändert sich jedoch im Laufe der Zeit und unter veränderten Umständen und Anforderungen können die vertrauten Reaktionsweisen dann auch hinderlich oder destruktiv wirken, als Stressoren am Krankwerden beteiligt sein.

Oft mussten wir schon als Kinder aus unvollständigen Informationen und Unwissenheit Konzepte, Pläne, Erlebens- und Verhaltensmuster entwickelten, die nun in der therapeutischen Bearbeitung ergänzt oder mit neuen Bezügen gedacht und ausprobiert werden können.
Viele der Wirkfaktoren, die unser Leben beeinflussen / mit denen wir selbst unser (Er)Leben beeinflussen, sind uns nicht bewusst. Sie rühren zum Teil schon aus (genetisch wie epigenetisch) ererbten Erfahrungen vorhergehender Generationen in anderen Zeiten her oder aus eigenen frühen Erlebnissen, die wir nicht mehr wissen (kindliche Amnesie) oder die wir verdrängt oder gar abgespalten haben. Sind aber wesentliche Bedingungsmomente ausgelassen, Bezüge vernachlässigt, verwechselt, verdreht, idealisiert, verteufelt oder folgen Handlungsweisen Hoffnungen, Ideologien oder Illusionen usw., schaffen diese Unsicherheiten wie Ungerechtigkeiten.
Aus ungezügelten Reaktionen wie aus starker Zurückhaltung entstehen typischerweise Spannungen, die schmerzhaft werden können, die zu Ängsten und verminderter Neugierde und damit weniger Weltwissen führen, deren Folge Depressionen und anderen psychischen oder psychosomatischen Auffälligkeiten werden können.
Insbesondere lohnt es im Alltag auf chronische und typische Reaktionsmuster zu achten, die zu vorhersehbaren, aber oft (noch) nicht steuerbaren Abläufen führen, die vielfach nicht gut tun. Denn bestimmte Trigger lösen automatisierte emotionale und irrationale Reaktionen aus, statt rationale oder regulierte.
Je mehr Menschen dann nur sich sehen, beherrschen wollen, umso weniger gelingt Kontakt, Zuhören, sich berühren lassen und wirkliche Antwortbeziehung.

Erst all das, was wir uns ins Bewusstsein holen können, ermöglicht es uns aktiv und selbstbestimmt zu wählen, passend zu (re)agieren und das eigene Leben selbstfürsorglich oder auch altruistisch zu gestalten.
Statt dass Angst, Spekulation, übertriebene Kontrolle oder Manipulation und das suggerieren von „Welt-Verfügbarkeit“ wirkt, kann der Mut Hinzuschauen am Ende mehr Flexibilität, Kraft, Vertrauen, Zuversicht, Mut, Offenheit und Resonanz, Empathie, Hingabefähigkeit, Humor, Gelassenheit, Kreativität und Zivilcourage für die Gestaltung unseres Lebens ermöglichen.
Das gelingt, weil wir – neben der subjektiven Wirklichkeit eines und einer Jeden – mit anderen zusammen mehr von der Realität erkennen können bzw. weil mit anderen eine tragfähige gemeinsame Wirklichkeit verabredet werden kann.
Das hilft Regeln zu haben, die zielführend sind, wenn Wort gehalten wird.
Das hilft, sich in der Welt zu orientieren, sich sicherer zu fühlen und zugleich mehr Energie frei verfügbar zu haben.
Es braucht also sowohl die eigene Achtsamkeit wie die anderen und ihre differenten, ergänzenden Sichtweisen.

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Ein kleiner Nebeneffekt dieser Selbsterfahrungs-Weiterbildungsveranstaltung könnte sein (und wünsche ich mir), dass sich in und um Biebertal ein Netzwerk an Unterstützung entwickelt, bei dem Menschen zugewandt zuhörend, vielleicht sogar aufhörend im Sinne von Harmut Rosa miteinander sind.
Denn das Einhalten der Schweigepflicht über die Belange anderer und über Informationen von anderen ist in dieser Veranstaltung Voraussetzung zur Teilnahme. Nach dem Seminar kann jede/r gerne über eigene Erfahrungen sprechen, nicht aber über andere Menschen – von wegen “stiller Post”-Effekte, die dann nicht zu vermeiden sind.
Wesentliches Sprechen ist immer Mitteilung von eigenen Belangen, Gefühlen, Wünschen, Vorstellungen und Beweggründen.

Schafe streicheln als Gutes für die Seele

oder: …streichelt auch unsere Seele?

Mal ein Schaf streicheln

Auch das kann gut für unsere Seele sein. Ich möchte sogar behaupten, dass diese Berührung positive Gefühle und Gedanken beflügelt.

In Frankenbach zwischen Sportplatz und Busparkplatz standen diese kuscheligen Tiere auf einer Wiese. Als wir davor parkten um unseren wunderschönen Rundweg am Dünsbergsgrund zu wandern, sahen einige Schafe auf und ein Schaf kam sogar so nah, dass ich es streicheln konnte. Was für ein schönes Gefühl den Kopf dieses Tieres zu berühren und zu erleben, dass auch das Schaf das Streicheln zu genießen schien. Diese weiche Wolle zu fühlen und dieses tierische Vertrauen zu erfahren, erfüllte mich mit Freude. Ich erwartete nur noch, dass das Schaf schnurren würde wie eine Katze. Ob Schafe wie Katzen Namen haben? Fragte ich mich.

Mein Kuschel-Schaf taufte ich Bella, die Schöne mit ihren sanften Augen der weichen Schnauze und der dicken Wolle. Auch wenn es kälter werden würde, Bella würde nicht frieren und die Wiese sah noch so schön grün aus, Bella und ihre Artgenossinnen und Artgenossen würden nicht hungern.

Sie strahlten Ruhe und Zufriedenheit aus.

Für mich war Bella eine gute Gelegenheit, um meine Achtsamkeit und Aufmerksamkeit zu fördern. Dieser Moment des bewussten Empfindens, sich auf etwas einzulassen, das im Alltagsleben sonst untergeht, wird in der Achtsamkeitsforschung als Balsam für die Seele bezeichnet.

Wir hätten auch einfach unsere Wanderung mit der lapidaren Wahrnehmung beginnen können: Aha, da sind ein paar Schafe auf der Wiese, die man nicht weiter beachten muss. Dann wären mir dieses positive Erlebnis und dieses positive Gefühl entgangen. Aber wir Menschen brauchen positive Gefühle und Erlebnisse und sollten uns bewusst machen, dass es manchmal ganz einfach ist, sich diese angenehmen Emotionen zu beschaffen.

Auch das Bäume-Umarmen, das belächelt wird, gehört dazu. Wie fühlt sich die Rinde an? Und wenn ich mein Ohr an den Baum drücke, was höre ich dann? Und welche Gefühle und Ideen verbinde ich mit einem Baum, der sonst einfach nur so dagestanden hätte.

Und noch etwas: Schafe sind keine dummen Tiere. Sie können sich sogar Namen merken, habe ich im Internet gelesen. Dass sie auch sehr pfiffig sein können, weiß ich nachdem ich mit meinen Enkelsöhnen mit großem Vergnügen die Filme von Shaun das Schaf gesehen habe. Für verregnete Wochenend-Herbstnachmittage ist Shaun auch für Erwachsene etwas zum Aufheitern.

Quellen:
Fotos: Uschi Hohenbild
, Christoph Haus