Seltsame Pflanzenveränderungen -Zombie-Pflanzen

Foto 1: Eine Studentenblume (Tagetes patula) hat sich zu einem Hexenbesen entwickelt.

Die von mir geleitete VEN*) -Gruppe Mittelhessen hat seit dem Frühjahr 2023 ein Schaubeet in den Hardtgärten (Ludwig-Schneider-Weg in Heuchelheim) angelegt. Ab Ende März wurden dort verschiedene Erbsensorten gesät, später 9 Sorten Bete (Rote, gelbe, weiße Bete in verschiedenen Formen = Gemüse des Jahres) gepflanzt, zum Schluss etliche Blattkohlarten. Der Wegrand wurde mit Studentenblumen (Tagetes) bepflanzt und eine größere Ecke mit anderen Sommerblumen.
Im Juli fiel mir eine völlig untypische Tagetes auf (Foto 1). Sie sah aus wie ein Hexenbesen*0) und zeigte, während überall Knospen und die ersten Blüten gebildet wurden, nicht die leisesten Anzeichen dafür. Sie war also eindeutig steril – bis heute. Erst als ich im September auch an einer Cosmea ungewöhnliche Veränderungen beobachtete, ging ich dieser Sache weiter nach.

Mit Hilfe der Biebertaler Botanikerin Prof. Annette Becker konnte ich zumindest die Veränderungen an der Tagetes erklären.
Die Ursache sind Phytoplasma*1) -Bakterien, die etwa 1/10 der Größe normaler Bakterien haben. (Bakterien zwischen 1/10.000 bis 1/100 mm). Den Phytoplasma-Bakterien fehlen einige wichtige Zellorgane, so dass sie in ihrer Vermehrung (ähnlich wie bei Viren) auf lebende Zellen angewiesen sind. Die bisher beobachteten Arten sind alle Parasiten, d.h. sie befallen Pflanzen und programmieren sie um. Damit werden sie interessant für Zikaden *2), die den mit schädigenden Bakterien befallenen süßen Saft aus der Pflanze saugen und ihn beim Biss in die nächste Pflanze weiterverbreiten.

Derzeit sind etwa 500 Pflanzenarten bekannt, die befallen werden. Darunter befinden sich auch etliche Nutzpflanzenarten wie z.B. Raps, Weinreben, Obstbäume bis hin zu Kokospalmen.

Foto 2: Kammbildung an Blütenknospen vom Schmuckkörbchen (Cosmos bipinnatus)

Was aber war mit der Cosmea passiert? Vor der Knospenbildung hatte ich eine leichte Verbänderung*3)  beobachtet.  Auslöser für eine Verbänderung können genetische Schädigungen durch Viren und pathogene Bakterien, Pilze und Milbenbefall sein.  Aber auch Chemikalien und ionisierende Strahlung können Auslöser sein, ebenso spontane Mutationen.. Es wird vermutet, dass die genetischen Schäden die Ausführung eines evolutionär (entwicklungsgeschichtlichen) ursprünglicheren *4) und damit alternativen Programms von Verzweigungsprozessen quasi erzwingen: der dichotomen Verzweigung, *5) wie sie bei Sporenpflanzen wie Moosen und Farnen üblich sind.   Quelle: Pflanzenforschung.de – Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Auch die in der Weihnachtszeit aktuelle Mistel hat eine derartige Verzweigung.

Wenn man das Foto (2.) einiger Knospen betrachtet, ist eine Kammbildung, die mit der Verbänderung einher geht, deutlich erkennbar. An einem anderen Zweig hatte die Pflanze es aber geschafft, Blütenstiele zu bilden (Foto 3), allerdings gingen sie fast von einem Punkt aus und waren ungewöhnlich zahlreich.

Foto 3: Cosmea mit extrem vielen Blütenstängeln von einem Punkt ausgehend

Da Cosmea und Tagetes nur 3m Abstand voneinander haben, liegt der Verdacht nahe, dass es sich auch bei der Cosmea um einen Befall mit Phytoplasma-Bakterien handelt.
Wir werden also im nächsten Jahr ganz besonders auf Zikaden achten.

Die Wissenschaft bezeichnet solche Pflanzen auch als “Zombie-Pflanzen” – und das hat überhaupt nichts mit entsprechenden Computerspielen zu tun.

Foto 4: Es werden dennoch farbige Blütenblätter gebildet

Foto 5: Ein anderer Teil derselben Pflanze scheint normal zu wachsen

Alle Fotos Eveline Renell

*) VEN = Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt https://www.nutzpflanzenvielfalt.de/

*0) Wer genau hinguckt, kann Hexenbesen manchmal an Bäumen beobachten. Dabei sind die Abstände zwischen den Stängelknoten (also die Internodien) extrem verkürzt. Wenn man sie abnimmt und bewurzeln lässt, erhält man ein Zwerggehölz.

*1) Phytoplasma ist  der mit Nährstoffen und Zellorganen gefüllte flüssige Inhalt einer Pflanzenzelle.

*2) Die Zikaden (von lateinisch cicada) auch Zirpen, sind an Pflanzen saugende Insekten.  Weltweit sind weit mehr als 45.000 Arten beschrieben, davon auch 638 Arten aus Deutschland.
Sie können zwischen 1,8 und 38mm lang werden (in Ausnahmen 50-70mm). Zikaden sind die besten Hochspringer im Tierreich. https://de.wikipedia.org/wiki/Zikaden

*3) Foto

*4) Bei dieser Aussage fühle ich mich an den Inhalt des Buches „Der Urzeit-Code“ von Luc Bürgin erinnert. Darin wird von Maispflanzen berichtet, die ähnlich viele Kolben ansetzten wie die Cosmea in Bild 3 Blüten.

*5) Verzweigung ähnlich wie eine Stimmgabel. An den Gabelspitzen bilden sich neue Verzweigungen (gut zu beobachten jetzt an Misteln)

Die Biebertaler Blutegelzucht, 2. Teil

Die Egel schlängeln sich zur Eiablage an den schrägen Beckenrand bis uner die blauen Kisten. Dort können die Eier an der Unterseite “geerntet” und in entsprechende Anzuchtgefäße gesetzt werden.

Aus dem Leben eines Egels: Wenn man ihnen zuguckt, sieht man, dass sie wie Delphine schwimmen. Sie sind ausgewachsen etwa 15cm lang, aber man hatte auch schon mal einen von 25cm Länge. Auf der Oberfläche befinden sich mehrere meist orangefarbene Streifen mit vielen Punkten. Auch grün klommt vor, recht hübsch.  Vermutlich entspricht diese Zeichnung unserem Fingerabdruck, das heißt, bei jedem Egel ist sie unterschiedlich.  In den Becken können sie 20 Jahre alt werden. Verwandte von ihnen, die  wir am besten kennen, sind die Regenwürmer. Wie diese bestehen sie aus Muskeln und Darmschlauch. Ein zentrales Gehirn haben sie nicht, ihre Sensoren liegen an verschiedenen Stellen, z.B. auf der Lippe. Sie sind nicht schmerzempfindlich. Auf Wasserbewegung und Klopfgeräusche reagieren sie sowie auf Gerüche. Sie haben 5 Augenpaare, die Ocellen, und können mit ihnen hell-dunkel unterscheiden.

Die Egel können es bis zu zwei Jahren ohne Nahrung aushalten. Die körpereigenen Gerinnungshemmer sorgen dafür, dass das aufgenommene Blut nicht gerinnt. Sonst würde der Egel unbeweglich. In der Aufzucht werden die Egel allerdings alle paar Monate gefüttert. Egel sind Zwitter. Sie begatten sich gegenseitig und jedes Tier legt einen Kokon ab, vorzugsweise ab August bis Oktober. Jeder Kokon enthält 10-15 Eier, aus denen nach 4-6 Wochen die jungen Tiere schlüpfen.

Mittlerweile waren alle neugierig auf die Tierchen. das foto rechts zeigt eine Umwälzpumpe

Sie wiegen anfangs nur 1g. nach der ersten Mahlzeit erhöht sich ihr Gewicht auf 9-10g, um innerhalb von zwei Tagen schon wieder auf 7g zu sinken, denn die Egel schwitzen erheblich. Das Gewicht sinkt fast wieder bis zum Ausgangswert, nur ½ Gramm mehr kommt hinzu. Ein Egel, der 20 Jahre alt wird, frisst natürlich des Öfteren und wächst auch. Das Medizinprodukt darf jedoch aus hygienischen Gründen nur einmal verwendet werden. Egel, die ihre Arbeit erledigt haben, kommen ins “Spa” in zwei Fischteiche im Krofdorfer Forst.

  • – Es gibt ca 600 Blutegelarten weltweit
    – Ca 15 Arten werden weltweit in der Heilkunde eingesetzt
    – 3 Arten befinden sich hier vor Ort:
    Hirudo verbana
    – Hirudo medicinalis
    – Hirudo orientalis

    – bbez verkauft Hirudo verbana als Arzneimittel

Es gibt ca. 600 verschiedene Egelarten weltweit. In der bbez verwendet man vorzugsweise Hirundo verbana, den ungarischen Egel. Er wird in der Donau und in der Save gefangen und kommt erstmal in Quarantäne. Mit den Tieren aus eigener Vermehrung kommt er nicht in Berührung. In den Wasserbecken wird das Wasser über Umwälzpumpen mit Filtern gereinigt. Die Becken sind wunderschön mit Seerosen bepflanzt (Winter?). die Pflege wird nur von Frauen vorgenommen, die gefühlvoller mit ihnen umgehen als Männer.

Wer sind die Abnehmer der Egel?
Die bbez darf nicht direkt an den Endkunden vermarkten. Der Versand geht an Ärzte, Tierärzte Heilpraktiker weltweit. Außerdem werden Apotheken beliefert, die sich auf Online-Versand eingestellt haben. In Biebertal ist das die Apotheke am Schindwasen.

Ein hoher Bedarf an Egeln besteht im Leistungssport sowie nach schweren Verletzungen

analgetisch = schmerzlindernd; antiinflammatorisch = entzündungshemmend; vasoaktiv = (Blut)Gefäße beeinflussend ; Antikoagulatorisch = gerinnungshemmend; Thrombozytenaggregationshemmer = “Blutverdünner”; Lysierend= Zellwand wird leichter durchdrungen

Für weitere Informationen über die Biebertaler Blutegelzucht siehe: blutegel.de Startseitenmeldungen: Neue Teiche werden bezogen

Fotos: Eveline Renell

Die Biebertaler Blutegelzucht – bbez, 1. Teil

Dieses schöne Bild wurde von Kunststudenten entworfen, um die Egel positiv darzustellen.

Am 16. Mai konnte ich auf Einladung des Gewerbevereins an der Besichtigung der bbez Teil nehmen.
Um es vorweg zu sagen: Was anfangs nicht nur bei mir mit leichtem Ekelgefühl besetzt war, hat sich durch die liebevolle Schilderung, mit der Herr Galatis seine Schutzbefohlenen beschrieb, in großes Interesse verwandelt.Dieses

Bis in die 80er jahre war hier die Gärtnerei Wollnich, die jetzt gemeinsam mit Samer das Bestattungsunternehmen hat. Familie Wollnich gab die Zierpflanzengärtnerei wegen der hohen Energiekosten auf.  Die ZAUG übernahm den Betrieb als Blutegelzucht. Diese entstand 1989 aus der Idee, dass man anhand eines Produktes, das sensibel auf seine Handhabung reagiert, beruflich schwer integrierbare Menschen in Schlüsselqualifikationen ausbilden kann. Zudem war der Blutegel zu dieser Zeit ein Produkt, von dem nicht die Gefahr ausging, einem Wirtschaftsbetrieb Konkurrenz zu machen, wenn er in einem sozialen Projekt mit öffentlicher Förderung entstand. Vorausgegangen war ein kleiner Teich am Ende des Gewächshauses. Frau Wollnich brachte Egel aus ihrer Behandlung gegen Rheuma in Bad Endbach mit. Dort wurden sie aus der Türkei importiert, standen aber nur im Sommer zur Verfügung.

Anfangs wurden pro Jahr etwa 5000 Egel verkauft. Schnell war klar, dass gleichzeitig Therapeuten ausgebildet werden mussten. Die ersten Seminare gab es 1992. 2022 nahmen etwa  400 Leute an ihnen Teil. „Blutegel sind Arzneimittel“. Sie waren aber nicht als solche zugelassen. Als Ausnahme durften sie dennoch weiterverkauft werden, obwohl die üblichen, wiederholbaren  Arzneimittelprüfungen an ihnen  nicht durchgeführt werden können.

Mit steigendem Umsatz und Prüfungen durch die entsprechenden Einrichtungen des Bundesgesundheitsministeriums war klar, dass die bbez nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werden musste. Die Zaug verabschiedete sich, und das Unternehmen wurde zur GmbH mit drei Gesellschaftern. Herr Galatis ist einer von ihnen.
Die bbez nennt  sich zwar Zucht, obwohl sie tatsächlich nicht züchtet sondern nur vermehrt. Man kann die Tiere der bbze allerdings an ihrem mikrobiologischen Fußabtritt erkennen. Die Egel stehen unter dem Schutz des Washingtoner Artenschutzabkommens. Für den Verkauf sind CITES-Papiere notwendig.*1)

-1990 entstanden aus einem Projekt der ZAUG
-seit 2004 Erlaubnis zur Herstellung von Blutegeln als Arzneimitttel
-Privatisierung und Gründung der Biebertaler Blutegelzucht
-Mitarbeiter insgesamt: 40
-Grundstücksfläche 6012 m²
-Eigene Vermehrung und Zucht, Handel und Forschung
-Zertifizierung nach GMP *2) und ISO 2009:2015
-Schulung von Fachpersonal (2022 rund 380 Personen)

*1) Magazin/Cites-und-EU-Bescheinigungen, was steht drin?

*2) GMP =Good Manufacturing Practise = Gute Herstellungspraxis (bei Arznei- und Futtermitteln)

*3) ISO Internationale Standardisierungs Organisation (seit 1987)

Teil 2 behandelt “Aus dem Leben eines Egels”

Zum Weltfrauentag am 8. März: Geschichte der Frauen – erlesen und erlebt

Dieses Buch kann man in der Bücherei Biebertal ausleihen unter dem Zeichen Zba 74 Has. Der Titel kommt nicht von ungefähr, er zitiert die Geschichte von Dädalus und Ikarus. Dädalus konstruierte für sich und seinen Sohn Ikarus Flügel aus Federn, gebunden und mit Wachs befestigt. Dädalus warnte seinen Sohn, nicht zu hoch zur Sonne zu fliegen. Doch der Sohn war ungehorsam, das Wachs schmolz und er stürzte ab.

Ähnlich erging es Emily Kempin-Spyri, der ersten Juristin Europas, nebenbei eine Nichte von Johanna Spyri, deren Roman Heidi seit 1880 bis heute noch immer neu aufgelegt und regelmäßig verfilmt wird. Emilys Vater behandelte seine Tochter während deren Kindheit wie den ersehnten Sohn, nannte sie auch Emil. Als sie in die Pubertät kam, wurde sie von ihm in die typische weibliche Rolle gedrängt. Der Ehemann missfiel dem Vater, also verweigerte er die Mitgift. Geldsorgen waren ständige Begleiter der Ehe, wie kam man zu Geld? Der Ehemann erlebte einen Misserfolg nach dem anderen.

Nach dem 3. Kind entschloss sie sich, mit Unterstützung ihres Ehemanns, Jura zu studieren. Obwohl sie einen Abschluss “Summa cum laude” und sogar den Doktortitel an der Universität Zürich schaffte, wurde ihr eine angemessene Stellung verwehrt. Die Familie wanderte daher in die USA aus, wo Dr. Kempin-Spyri dank einer Stiftung Frauen aus sozial schwachen Familien kostenlose Rechtsberatung gab. Ehemann und die beiden ältesten Kinder konnten in den USA nicht Fuß fassen und fuhren alleine zurück. Emily Kempin-Spyri folgte einige Zeit später mit der jüngsten Tochter – und gab damit auf, was sie sich erträumt hatte sowie ein regelmäßiges gutes Gehalt. Unterstützung erhielt sie von Frauen und fortschrittlichen Männern der Schweiz und Deutschlands.

1865: Der erste deutsche Frauenbildungsverein

Aber die Mehrfachbelastung von Familie, allen Versuchen, die Familie zu ernähren und den Anfeinungen, denen sie ausgesetzt war, führten zu einem Zusammenbruch. Einige Zeit war sie in einer Nervenheilanstalt in Berlin, später dann in Basel. Ihre Bitte nach Zürich verlegt zu werden, wo die Psychiatrie fortschrittlicher war und sie den Klinikleiter kannte, wurden von Ärzten und Institutionen torpediert. Emily Kempin-Spyri starb 1891 im Alter von 48 Jahren in der Nervenheilanstalt – immer noch kämpferisch – an Krebs. Das war der “Absturz” einer Frau, die es wagte, ihrer Zeit voraus zu sein, die Verbote des Vaters nicht zu befolgen.

Der Sturz des Ikarus, Gemälde von Franz Radziwill – Verwendung des Fotos mit freundlicher Genehmigung der Franz-Radziwill-Gesellschaft Dangast

Erlebte Geschichte:
Viele Frauen meiner Kindheit waren Kriegerwitwen, lebten aber mit einem Mann in “Wilder Ehe”, ein Begriff, der bis in die 1980er Jahre noch negativ behaftet war. Die Frau verlor durch dieses Zusammenleben ohne Trauschein nicht ihre Witwenrente. Vielleicht wollte sie aber auch ihre in der Kriegs- und Nachkriegszeit gewonnene Selbständigkeit nicht aufgeben, denn bis 1957 hatte der Ehemann die alleinige Entscheidungsgewalt darüber, ob die Frau
– ein eigenes Konto haben durfte,
– arbeiten gehen durfte,
– einen eigenen Wohnungsschlüssel besitzen durfte.
Die Gesetze nach dieser Zeit enthielten eine Menge Kompromisse. Der Frau war die Berufstätigkeit erlaubt, “sofern sie ihre Familie nicht vernachlässigt”. Wer beurteilte das?
In den 1960-1970 Jahren kamen Frauen in den Wechseljahren in unserem Dorf im Kreis Hanau oft in “Irrenanstalten”. Als Frauen waren sie ja nun “nichts mehr wert”, was viele von ihnen verinnerlicht hatten und darüber in Depressionen verfielen.
Bei der Änderung des Scheidungsrechtes unter einer SPD-geführten Regierung “Zerrüttungsprinzip statt Schuldfrage” beschwor die CDU/CSU den Weltuntergang herauf.*)
Als ich nach dem Abitur im Schwab-Versand am Fließband Pakete packte, bekamen wir Frauen 30 Pfennige weniger Lohn als die Männer. Begründet wurde es mit “der schwereren Arbeit” der Männer, was wir nicht sehen konnten. Solidarität herrschte darin, dass wir Aushilfen nicht schneller waren als die festangestellten Frauen, weil man sonst die Stückzahl, die für den gleichen Lohn zu leisten war, erhöht hätte.
Während meiner Berufstätigkeit in der beruflichen Bildung gab es immer noch alte Meister in Prüfungskommissionen, die Frauen nicht prüfen wollten, wenn sie den Beruf eigentlich als Männerberuf ansahen.
Wenn ich mit meinem ersten Freund zu seinen oder meinen Eltern fuhr, mussten wir in getrennten Zimmern schlafen. Sonst hätte ein böswilliger Nachbar unsere Eltern auf Grund des “Kuppelei-Paragraphen” (1973 abgeschafft) anzeigen können.
Noch bis Ende der 1980er Jahre hieß es im Lohnsteuerformular: Spalte 1 Haushaltungsvorstand Spalte 2 Ehefrau. Da ich damals Alleinverdienerin war, habe ich regelmäßig das Formular geändert.

Auch solche Demonstrationen gab es – auf dem Kirchentag

Auf den Paragraphen 218 will ich hier nicht eingehen. Er war aber für die Frauenbewegung sehr wichtig, der ich nicht angehörte. Aber ohne diese in den 70er Jahren so verspottete und angegriffene Bewegung, durch die viele Missstände aufgezeigt und über ihre Änderung diskutiert wurde, hätte es viele gesetzliche und tatsächliche Verbesserungen nicht gegeben (analog heutige Umweltbewegung). Das ist zwei Generationen her. Insgesamt gab es seitdem eine Vielzahl von positiven Veränderungen. Ich wünsche mir, dass sich junge Frauen dessen bewusst werden, dass ihre heutigen Rechte nicht selbstverständlich sind, sondern immer wieder neu verteidigt werden müssen.

Am Ende sind wir nie. Wenn auch die “Hausfrauenehe” seit 65 Jahren abgeschafft ist; die vielen misshandelten Frauen und Kinder zeigen, dass in den meist männlichen Köpfen immer noch die Verstellung herrscht, dass der Mann die Frau beherrschen darf. Aktuell fehlen mindestens 3.500 Frauenhaus-Plätze. Geld dafür bereit zu stellen wird in vielen Parlamenten als unwichtig angesehen.

*) 50 Jahre Gleichberechtigung eine Springprozession-Essay Dieser Artikel, herausgegeben von der Bundeszentrale für Politische Bildung, erschien bereits 2008, müsste also heute heißen “65 Jahre Gleichberechtigung,…”

Fotos Franz-radziwill-Gesellschaft, wikipedia und Bundeszentrale für politische Bildung

Palmsonntag – Brauchtum

Palmen in Bordighera, der Ort aus dem der Pabst die Palmen für Ostern erhält (Repro von eigenem Foto)

Vor 60 Jahren wurde ich im März 1963 am Palmsonntag konfirmiert. Nach einem langen, harten Winter konnten wir endlich um den 10.März die ersten Schneeglöckchen pflücken, die mit Buchs von der Gärtnersfrau zu kleinen Sträußchen gebunden wurden. Konfirmation am Palmsonntag war damals üblich. Mit der Konfirmation werden die jungen Menschen als vollwertige Mitglieder in die Kirchengemeinde aufgenommen. Der Termin hatte allerdings den Grund, dass das Schuljahr damals noch am 1. April begann (bis 1966). Alle, die nach acht Volksschuljahren eine Lehre begannen oder ins Berufsleben eintraten, sollten dies mit der Reife tun, die durch die Konfirmationsfeier erlangt wurde.

Woher kommt der Name Palmsonntag? Im Matthäus- und Johannes-Evangelium wird beschrieben, wie die Bevölkerung von Jerusalem Jesus, der auf einem Esel in die Stadt reitet, mit Palmzweigen willkommen heißt. Vermutlich haben sie damit vor ihm die Straße gekehrt oder die Zweige als Schutz gegen die Sonne über ihn gehalten. Seit dem Mittelalter wird dieser Einzug auch in manchen Gemeinden nachgespielt und ist ins Brauchtum eingegangen.
Ich habe mal geguckt, in welchen Gemeinden es eine Palmenstraße gibt. Das ist in Mainz und Düsseldorf der Fall, in Düsseldorf am Rande des Floraparks. In Köln gibt es den Palmenweg, der sich in einem Stadtviertel mit Baumnamen befindet. Daneben gegriffen hat dagegen jener westdeutsche Hotelier, der nach 1990 in Eisenach im Palmental ein Hotel errichtete und in guter Absicht die Gartenanlage um das Gebäude mit vielen Palmen bepflanzen ließ. Im nächsten Winter waren alle erfroren.
Warum heißt die Straße aber Palmental*)? Hier ist es feuchter als in der übrigen Umgebung, weshalb die Salweide sehr gut wächst. Und da in Deutschland eben nicht wie in Jerusalem Palmen gedeihen, hat man den Einzug von Jesus am Sonntag vor Ostern mit einheimischem Gehölz nachgespielt. Die Weidenkätzchen blühen meistens schon und selbst wenn nicht, so sind sie mit ihren zarten silbrigen Knospen sehr dekorativ und leicht zu bekommen. Auf Osterkarten noch vor dreißig Jahren sind sie fast immer abgebildet. Da die Weidenkätzchen als Ersatz für die Palmenzweige genommen wurden, so nannte man sie zur Osterzeit auch Palmkätzchen. Und die konnte man im Eisenacher Palmental reichlich schneiden.

Palmbuschen mit Weidenkätzchen und Buchsbaum
(Foto Münchner Kirchenzeitung)


Es war Sitte, vor allem in katholischen Gegenden, einen Palmstock oder Palmbuschen zu binden und ihn in einem Zimmerwinkel aufzuhängen. Er sollte auch gegen Krankheiten schützen. Was nach Aberglauben klingt, hat einen realen Hintergrund. Schneidet man die Weidenzweige in kleine Stücke und bereitet daraus einen Tee, so nimmt man Salicin auf, das in der Leber zu Salicylsäure umgebaut wird. Und das ist der wirksame Stoff, der Fieber senkt, Schweiss treibt, Schmerzen lindert und Keime abtötet. Den Namen hat die Salicylsäure (wesentlicher Bestandteil von Aspirin) von der Weide bekommen, die botanisch Salix heißt – und von der es viele Arten gibt. – Nebenbei: Auch das im Keltengarten angebaute und in der Gemarkung reichlich zu findende Mädesüß enthält diesen Stoff.

*)An der Straße Palmental liegt auch die Alte Mälzerei, die ich 2005 erstmals im Rahmen von Recherchen zur Zichorienwurzel aufsuchte. Heute beherbergt sie ein Jazzmuseum und einen Jazzclub. So ist auch das Lippmann+Rau-Musikarchiv – Internationales Archiv für Jazz und populäre Musik der Lippmann+Rau-Stiftung in Eisenach hier beheimatet.

500 ml Leben – Blutspenden – Blut spenden!

Viele von uns gucken mehr oder weniger regelmäßig irgendwelche Krankenhausserien, in denen operiert wird. Blut steht dabei immer in großen Mengen zur Verfügung. Und wie sieht es in der Praxis aus?

Nicht immer wird bei Blut-Transfusionen das komplette Blut übertragen. Durch Zentrifugieren des Blutes wird das gespendete Blutspende in die einzelnen Bestandteile Blutplasma, Blutplättchen und Blutkörperchen aufgeteilt.

Wieviel Blut haben wir normalerweise?
– Bei Frauen sind es etwa 65 ml pro kg Körpergewicht, in der Schwangerschaft kann die Blutmenge um 1,5l zunehmen
– bei Männern 75 ml pro kg Körpergewicht
– bei Neugeborenen 100 ml pro kg Körpergewicht
– bei Kleinkindern 85 ml pro kg Körpergewicht
– bei Profisportlern 95 ml pro kg Körpergewicht

*2) (aus Nachrichten) Etwa 8 Millionen Deutsche sind Träger eines Gendefektes, bei dem sich zu viel Eisen im Blut befindet (Hämochromatose). Aussagefähig ist der überhöhte Eisenwert nur in Kombination mit dem Ferritin-Wert (= Eisenbestand im gesamten Körper).
Eisenüberladung lässt sich pragmatisch definieren. Es beschreibt den Zustand, wo überschüssiges Eisen sich in wichtigen Körperorganen ablagert. Das sind typischerweise die Leber, das Herz, aber auch viele Drüsen, wie zum Beispiel die Bauchspeicheldrüse. Und all diese Organe können langfristig in ihrer Funktion eingeschränkt werden durch diese Eisenüberladung.“ PD(Privatdozent) Dr. Karl-Anton Kreuzer von der Klinik I für Innere Medizin an der Uniklinik Köln; Quelle Deutschlandfunk-Archiv – und etliche andere Belastungen wie z.B. Beschwerden großer Gelenke – können auftreten.


Die meisten im Artikel verwendeten Werte stammen aus der oben angegebenen Antwort und dem Blutspende Podcast des DRK: https://www.blutspende.de/itsamatch/podcast

Welchem Zwecke dient die Zecke?

Der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) – der Name kommt von der
Ähnlichkeit mit Rizinus-Samen

Zunächst eigentlich keinem. Ein paar Vögel verspeisen sie als zusätzlichen Happen. Der Madenhacker in Ostafrika ernährt sich von Zecken, vor allem aber warnt er die Büffel vor sich nähernden Jägern. Meine Überschrift ist zugleich der Titel eines 95 Seiten starken, launig geschriebenen Buches der Ärztin Dr. med. Petra Sommer. Ich habe es gekauft, weil ich sehr stark von Zecken befallen werde. In diesem Jahr waren es schon etwa 25. Ich lasse mich auch gegen FSME (Frühsommer-Meningo-Encephalitis*1)) impfen, weil die Zecken, die dieses Virus im Speichel tragen, unserer Region gefährlich nahe kommen – siehe Bilder.

Deutschlandweit verzeichnete das RKI von 2002 – 2021 6642 Fälle von FSME
Süd-Osthessen ist betroffen sowie der
Kreis Marburg-Biedenkopf

Weltweit kennt man um die 900 Zeckenarten. Während in Deutschland früher nur der Gemeine Holzbock, eine Schildzecke, vorkam, haben Klimaerwärmung und Globalisierung die bei uns vorkommende Artenvielfalt erhöht, in diesem Fall nicht zu unserer Freude. Der Gemeine Holzbock lebt in allen Klimazonen außer der Arktis. *2)
Auwaldzecke: Vor allem für Hunde gefährlich, Hundemalaria
Igelzecke: Sie lebt in Igelbauten, befällt viele Kleintiere der Wildnis; FSME und Borreliose
Schafszecke: Viele Fiebererkrankungen; besonders gefährdet sind Hunde, Schafe und Rinder
Taubenzecke; Vorsicht Taubenhalter! Für Menschen bisher nur allergische Reaktionen nachgewiesen, aber bis zum anaphyllaktischen Schock*3); kann 11 Jahre fasten.
Hyalomma-Zecke: Früher nur in Südeuropa, Wüstengebiete Afrikas und Asiens, Krim-Kongo-Fieber, Fleckfieber; Diese Zecke verfolgt ihre Opfer auf bis zu 100m Distanz. Erste Vorkommen in Deutschland 2018 nachgewiesen. Eine der wenigen Arten mit Augen. Sie legt etwa 20000 Eier.
Braune Hundezecke: Kommt bisher nur in Südeuropa vor, Es besteht aber die Gefahr, dass sie sich durch obdachlose Hunde, die nach Deutschland gerettet werden, auch hier ansiedelt. Sehr aktiv, in Tierheimen und Wohnungen mit Hunden.

Einige Krankheiten wurden bereits oben genannt. Der Gemeine Holzbock überträgt FSME und Borreliose, von der es verschiedene Arten gibt. 80.000 bis 120.000 Menschen erkranken in Deutschland pro Jahr an der Lyme-Borreliose. 12 bis 24 Stunden nach dem Stich (das Bakterium lebt im Darm der Zecke), aber nur in der Hälfte der Fälle kann die so genannte Wanderröte auftreten. Wer sicher gehen will, lässt sich in jedem Fall ein Antibiotikum spritzen, denn der Verursacher ist ein Bakterium (Borrelia burgdorferi).
Die zweite Krankheit, wird durch das FSME-Virus übertragen, das der Gemeine Holzbock im Speichel trägt. Dadurch gelangen die Viren sofort in die Wunde. Gegen Viren hilft nur Impfung, keine Antibiotika. Die Impfung erfolgt in drei Schritten. Erstimpfung, zweite nach vier Wochen, dritte sechs bis neun Monate später.
Ich lasse mich deshalb impfen, weil die Zecken mich so gerne haben. Tödliche Ausgänge gibt es beim Europäischen Holzbock in 1-2% des Befalls durch Virusträger-Zecken. Weitere Krankheitsfolgen können sehr gravierend sein. Es beginnt binnen 10 Tagen mit Grippesymptomen. Nach scheinbarer Besserung kann einen Monat später das Fieber auf 40°C ansteigen und in 10 – 30% der Fälle zu Hirnschäden führen. Langzeitschäden sind immer wieder auftretendes Fieber, Schwindel, diverse Lähmungen, Sprech-, Schluck- und Atembeschwerden *4).

Wann sind Zecken aktiv? Zecken werden aktiv, sobald es an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen 7 Grad Celsius warm oder wärmer ist. Die „Zecken-Hauptsaison“ beginnt in Deutschland normalerweise im Frühjahr und endet im Spätherbst. In milden Wintern beginnt die Zeckensaison aber bereits im Januar und kann bis Dezember andauern. Das bedeutet, dass der Name Frühsommer-ME mittlerweile irreführend ist.
Inzwischen geht man davon aus, dass Zecken in etwa 70% aller Gärten zu finden sind, auch in gepflegten.

Jede Menge Holzbock-Weibchen (roter Panzer)

Was tun bei Zeckenbefall: So früh wie möglich entfernen. Dafür gibt es verschiedene Hilfsmittel in der Apotheke:
-die Zeckenzange
-die Zeckenkarte
-das Zeckenlasso
-zwischen zwei Fingernägeln
Was Sie nehmen, hängt von Ihrer Vorliebe ab. Wichtig: Nicht quetschen! Nach der Entfernung Wunde mit 40%igem Alkohol oder jodhaltiger Salbe desinfizieren.

Vorsorge gegen Zecken

Zecke entsorgen – was hilft? Auf fester Unterlage mit hartem Gegenstand zerquetschen oder ins Feuer werfen.

Was hilft nicht, um die Zecke zu töten? In die Kanalisation spülen – das überleben die Tiere bis zu drei Wochen; in der Kochwäsche mit Schleudern überleben 100% der Zecken, ebenso im Eis bis -13°C bis 24 Stunden.

*) Meningon= weiche Hirnaußenhaut, Encephalon=Teile im Gehirn.
*2) Zecken.de
*3) gleichzeitiges Zusammenbrechen mehrerer Organsysteme, bei 1-3 Menschen pro 1 Million jährlich mit Todesfolge
*4) zecken.de/de/was-ist-fsme

Fotos und Repros: Pfizer.Zecken.de und .rki.de

Die Inhalte stammen aus dem Buch von Dr. med. Petra Sommer: “Welchem Zwecke dient die Zecke?”, Quelle & Meyer-Verlag Wiebelsheim, Preis 9,95€

Lebens-Erwartungen

Artikel ausgelöst durch “Corona führt zu Übersterblichkeit” im Gießener Anzeiger

Graphik aus Statista

Was wünschen sich die Deutschen vom Leben? Für 70 % ist es Gesundheit, gefolgt von finanzieller Sicherheit (67%) und Familie und Freunden (60%).
„Ein langes Leben“ höre ich oft in Gesprächen mit Gleichaltrigen, weniger von Jüngeren. Da mein Vater bereits 1899 geboren wurde, kann ich meine Familie etwa bis 1870 zurückverfolgen. Patchwork-Familien gab es eine ganze Menge. Aber nicht, weil man sich scheiden ließ, sondern weil viele Frauen im Kindbett starben und der zurückbleibende Witwer wieder heiratete, auch und wohl vor allem, damit Kinder und Haushalt versorgt wurden. Das waren wohl selten Liebesheiraten, sondern Zweckgemeinschaften und würde erklären, warum die Rolle der Stiefmutter in Grimms Märchen so negativ dargestellt wird.
Um 1870 lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei etwa 40 Jahren. Und noch 1950 starben die meisten Deutschen mit unter 70 Jahren. Heute werden Männer durchschnittlich 78,9 und Frauen 83,6 Jahre alt. Während meines eigenen Lebens, vor allem in den letzten 25 Jahren, konnte ich beobachten, wie die Zahl der Hochzeits-Jubiläen stetig stieg. In Wikipedia findet man dazu: 1991 feierten rund 71.000 Ehepaare in Deutschland ihre Goldene Hochzeit. 10 Jahre später waren rund 190.000 Paare länger als 50 Jahre verheiratet.[5] 2010 waren 1 Million Ehepaare länger als 50 Jahre verheiratet. 10.000 Paare konnten 2010 auf 65 Ehejahre zurückblicken.6]

Eveline 70, Winfried 73 Jahre alt (2017) (Foto privat)

„Wir möchten zusammen alt werden“, das ist ein Wunsch, den auch heute die meisten Paare am Anfang ihres gemeinsamen Lebens haben. In unserer Zeit wäre es vielen vergönnt. Mit den Großeltern meines Mannes konnten wir 1997 noch die Gnadenhochzeit (70 Jahre) feiern. Sie konnten Kinder und Enkel aufwachsen sehen und sogar die Geburt und Kindheit der Urenkelin erleben. Das war vor 150 Jahren eine große Seltenheit. Kaum jemand wurde „alt wie Methusalem“.

Was bewog mich eigentlich zu diesem Artikel? In Corona-Zeiten ist immer wieder von „Übersterblichkeit“ die Rede. In einem Interview von Karl Schlieker mit dem Vizepräsidenten des Statistischen Bundesamtes (Gießener Anzeiger vom 10. 12. 2021) heißt es dazu „Im Jahre 2020 waren nur drei Prozent der Verstorbenen jünger als 60 Jahre, 70% waren dagegen älter als 80 Jahre. Covid-19 war in dieser Altersgruppe die dritthäufigste Todesursache. Häufig hätten die Betroffenen mehrere Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Demenz, Niereninsuffizienz und Diabetes.
Daraufhin habe ich mal die Todesanzeigen des Monates Dezember im GA ausgewertet (die ich seit Beginn der Corona-Pandemie täglich verfolgt habe).

Meine Auswertung ergab Folgendes über die Zahl der Todesfälle pro Geburts-Jahrzehnt (insgesamt 74, in 11 Anzeigen war kein Geburtsjahr genannt).

10 Frauen starben mit durchschnittlich 93 Jahren, 14 mit 85 Jahren, 6 mit 75 Jahren.
6 Männer starben mit durchschnittlich 96 Jahren, 18 mit 84 Jahren, 6 mit 73 Jahren.
Das heißt, viele wurden erheblich älter als es der durchschnittlichen heutigen Lebenserwartung entspricht.
Nun muss ich aber selber meine Liste in Frage stellen. Sie zeigt nur einen winzigen Ausschnitt aus den Todesfällen in Stadt und Landkreis Gießen. Da auch Todesanzeigen Geld kosten, werden viele Menschen darauf verzichten. Und weil die Lebenserwartung noch immer stark von Bildung und Einkommen abhängt, sterben viele Menschen in viel jüngeren Jahren. Das lässt sich nur über die Sterbestatistik herausfinden.

Die bekannteste 95jährige: Queen Elizabeth
Foto Internet

Für mich heißt diese Dezember-Momentaufnahme allerdings auch: Ewig will und kann ich nicht leben. Ich habe meine Mutter und meine Oma schon lange überholt. Mein Vater starb mit 82. Wenn ich dieses Alter erreiche, habe ich noch acht Jahre vor mir. Bisher hatte ich viel Freude am Leben. Irgendwann ist unabhängig von Corona Schluss.  Von daher gefällt mir das Gerede von der Übersterblichkeit überhaupt nicht.

Quellen: .statista.com Lebenserwartung bei Geburt in Deutschland
.wikipedia.org
Hochzeitstag

Johanniskraut und Johannistag 24. Juni

Tüpfel-Johanniskraut (Hypericum perforatum, Hypericaceae) in Königsberg

Der Johannistag stand früher für den längsten Tag des Jahres. Die Menschen hatten die Namen der Heiligen im Kopf, aber noch keinen Kalender. Jedenfalls werden die Tage wieder kürzer, das heißt, die Spargelsaison endet, und auch Rhabarber sollte nicht mehr geerntet werden. Beide müssen nun Reserven fürs nächste Jahr bilden. Andererseits treiben kahl gefressene Bäume neu aus, das ist der Johannistrieb. Eine Heilpflanze, die um diese Zeit mit der Blüte beginnt, ist das Johanniskraut (Heilpflanze 2019). Es heißt auch Hartheu und ist in Biebertal sehr verbreitet. Das Kraut aus Blättern und Blüten gibt einen guten Tee gegen depressive Stimmungen. Der Wirkstoff Hyperforin ist auch in Antidepressiva enthalten. Die Wirkung merkt man 2-3 Wochen ab Beginn der Teekur. Aber Vorsicht! Die bekannteste Nebenwirkung ist eine zunehmende Lichtempfindlichkeit vor allem bei sehr hellhäutigen Menschen. Auch die Wirkung der Antibabybille kann herabgesetzt werden. Bevor Sie an die Ernte gehen, halten Sie die Pflanze gegen das Licht. Nur wenn Punkte auf Blüten und Blättern zu sehen sind (Tüpfel), haben sie die richtige Art. Alternativ: Zwischen zwei Fingern zerquetschte Blütenblätter sollten rötlichen Saft absondern.
Ein sehr gutes Pflege- und Heilöl, das bei Brandwunden 1. Grades, bei Schürfwunden und kleinen Rissen hilft sowie allgemein gereizte Haut beruhigt, .kann man mit wenigen Mitteln herstellen:

  1. Blüten und wenige Blätter vom Stängel streifen
  2. Ein Schraubglas locker mit dem Kraut befüllen
  3. Mit Olivenöl aufgießen, so dass die gesamten Pflanzenteile mit Öl bedeckt sind
  4. An einem warmen und wenn möglich sonnigen Ort sechs Wochen ziehen lassen und ab und zu schütteln
  5. Das mittlerweile rot verfärbte Öl abseihen und eher dunkel bei Zimmertemperatur lagern.

Übrigens haben wir momentan in Biebertal noch sechzehneinhalb Stunden Tageslicht, nämlich vom 16. – 18. Juni 16,32 Stunden, vom 19. – 22. Juni 16,33 Stunden und vom 23. – 25. Juni wieder 16,32 Stunden. In München sind es nur 16,04, aber in Flensburg 17,16 Stunden.

Quellen: https://www.die-rathausapotheke.de/leben/johanniskraut/
https://sonnenaufgang-sonnenuntergang.de/?location=35444%20,%20Biebertal
Foto: Eveline Renell

FFH in Biebertal

Nein, hier ist nicht der Rundfunk gemeint.

Werfen Sie bitte einen Blick auf die oben abgebildete Karte. Die grün markierten Stellen sind Gebiete in Biebertal, die als FFH = Flora-Fauna-Habitat ausgewiesen sind.
Im Wesentlichen sind die Gebiete entlang der Bieber von der Quelle hinter den Lindenhöfen (Strupbach) bis hinter der Amtmannsmühle sowie der Dünsbergbach (westlich vom Dünsberg eingezeichnet). Außerdem gehören Wald und landwirtschaftliche Flächen  zwischen Rodheim und Königsberg dazu.

Was ist ein Flora-Fauna-Habitat?

Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie hat zum Ziel, wildlebende Arten, deren Lebensräume und die europaweite Vernetzung dieser Lebensräume zu sichern und zu schützen. Die Vernetzung dient der Bewahrung, Wieder-herstellung und Entwicklung ökologischer Wechselbeziehungen sowie der Förderung natürlicher Ausbreitungs- und Wiederbesiedlungsprozesse. Sie ist eine Naturschutz-Richtlinie der Europäischen Union aus dem Jahre 2000.

Schautafel am Parkplatz gegenüber der Obermühle, hier beginnt der Wanderweg durch den Dünsberggrund

Auf weiteren Schildern wird die Umgebung vorgestellt z. B. die Brunnenanlage an der Obermühle, sonstige Sehenswürdigkeiten der Umgebung oder der Wald mit nachhaltiger Forstwirtschaft.

Film einbetten

Man sieht das klare Wasser, in dem das bis zu 30cm lange, Bleistift dicke Bachneunauge und die 18cm lange Groppe zu Hause sind. Am Ufer wiegen sich Buschwindröschen und Gelbes Windröschen im Wind.
Im Film sieht man noch vereinzelt Verbauungen. Im Wesentlichen ist der Bach aber renaturiert.
“Die Landesregierung Hessen hat das Programm „100 Wilde Bäche“ beschlossen. In diesem Programm ist auch die Bieber zwischen Biebertal und Heuchelheim dafür vorgesehen, wieder in einen natürlichen Zustand versetzt zu werden”. (GAZ Jan. 2020, pm)

Kleine Knüppelbrücke über den Dünsbergbach
Selten hat das Gelbe Windröschen drei Blütenstängel. Auf diesem Weg findet man auch die Varianten mit 1 und 2 Stängeln

Das Gelbe Windröschen (Anemone ranunculoides, Ranunculaceae) ist genau wie die Frühlingsplatterbse (Lathyrus vernus, Fabaceae) auch in Biebertaler Gärten gern gesehen.

Frühlingsplatterbse

Unterwegs treffen wir einen Botanik-Studenten aus Göttingen, der sich in seiner Bachelor-Arbeit mit Moosen auf Kalk befasst. Er ist extra dafür in das Biebertaler FFH gekommen und will bis zum Eberstein wandern. Er zeigt uns diese ausdrucksvolle Hundsflechte.

Hundsflechte

Wir waren am Ostermontag nur eine kurze Strecke unterwegs, dennoch dauerte der Spaziergang recht lange und wir haben einiges erlebt.
Für mich persönlich handelt es sich beim Dünsberggrund um eines der schönsten Wandergebiete in Biebertal. Schutz und Pflege der FFH-Gebiete sind dem Anliegen nach mehr Tourismus in unserer Gemeinde sicher sehr förderlich.

Typisches Dünsberggestein
Mikrokosmos Baumstumpf

http://www.fauna-flora-habitatrichtlinie.de/

https://de.wikipedia.org/wiki/Bieber_(Lahn)#Verlauf

https://rp-giessen.hessen.de/sites/rp-giessen.hessen.de/files/content-downloads/Artensteckbrief%20Bachneunauge.pdf

Zu den baurechtlichen und finanziellen Auswirkungen von FFH-Gebieten siehe https://opus-hslb.bsz-bw.de/frontdoor/deliver/index/docId/111/file/Trost_Susanne.pdf

Fotos. Eveline Renell und Winfried Senger, Film Winfried Senger